Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 241 |
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| 01 | des Prädicats; denn nicht alles Ausgedehnte ist Körper; Flächen sind | ||||||
| 02 | auch ausgedehnt; nicht alle Grössen von drey Dimensionen sind Körper; | ||||||
| 03 | Cubiczahlen sind auch Grössen von drey Dimensionen, wenn man den | ||||||
| 04 | Begriff der Dimension nicht auf ausgedehnte Grössen einschränkt. | ||||||
| 05 | Wenn also in einem synthetischen Satze die synthetische Hinzufügung | ||||||
| 06 | des Prädicats zum Subjecte auf einer Verknüpfung von Begriffen im | ||||||
| 07 | Subjecte beruht, so darf ich hoffen, daß diese meine Bemerkung Ihrer | ||||||
| 08 | Erklärung vom synthetischen Satze gemäß sey. | ||||||
| 09 | Noch eine Frage möchte ich gerne vornehmen, wenn ich nicht beschwerlich | ||||||
| 10 | falle. Wie geht es zu, daß ein bewegter Körper seine Bewegung | ||||||
| 11 | fortsetzt, wofern ihn nichts daran hindert, und daß ein Körper | ||||||
| 12 | dem, was seinen Bewegungszustand zu verändern strebt, widersteht? | ||||||
| 13 | Ein Körper sey in einem abgesonderten leeren Raume ausser aller | ||||||
| 14 | Verbindung mit andern Körpern: er werde nun durch einen andern | ||||||
| 15 | ihm näher kommenden Körper, der mit andern Körpern ausser dem | ||||||
| 16 | leeren Raume in gehöriger Verbindung steht, fortgeschoben: ich kann | ||||||
| 17 | mir den Erfolg nicht anders vorstellen, als der isolirte Körper werde | ||||||
| 18 | dem forttreibenden Körper keinen mechanischen Widerstand leisten, und | ||||||
| 19 | so bald das Forttreiben aufhört, in Ruhe seyn. Denn, was durch | ||||||
| 20 | das Fortschieben verändert wird, ist nicht der isolirte Körper, auch | ||||||
| 21 | nicht der leere Raum, sondern das Ganze, das der geschobene Körper | ||||||
| 22 | mit dem umgebenden Leeren ausmacht: nun ist aber dieses Ganze | ||||||
| 23 | nichts Reales, weil ein Theil desselben, das Leere, nichts Reales ist. | ||||||
| 24 | Iede Wirkung setzt aber etwas Reales voraus, dem die Kraft zu | ||||||
| 25 | wirken zugeschrieben wird, also findet bey dem Mangel des Realen | ||||||
| 26 | keine Wirkung statt, nemlich der Körper und das umgebende Leere | ||||||
| 27 | können miteinander keine Bewegung unterhalten, und keiner bewegenden | ||||||
| 28 | Ursache widerstehen. Wenn also im freyen Raume ein Körper | ||||||
| 29 | seine Bewegung von selbst fortsetzt, und ohne offenbare sinnliche Ursache | ||||||
| 30 | dem, was seinen Bewegungszustand verändern will, widersteht, | ||||||
| 31 | so ist etwas Reales, mit dem er im Raume gemeinschaftlich beydes | ||||||
| 32 | bewirkt. Diese ungenannte reale Ursache aller freyen Bewegung und | ||||||
| 33 | alles mechanischen Widerstandes gegen bewegende Kräfte muß schlechterdings | ||||||
| 34 | durch den Spielraum aller möglichen Bewegungen stetig und | ||||||
| 35 | gleichmässig verbreitet, und jedem bewegten oder ruhenden Punkte jedes | ||||||
| 36 | realen stetigen Körpers gleich gegenwärtig seyn. Sie ist unbeweglich, | ||||||
| 37 | weil sie keiner Bewegung bedarf, um auf bewegliche Dinge zu wirken; | ||||||
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