Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 049 |
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| 01 | auch zum Durchdenken, zuzuschicken, mir, der ich in meinem 66sten | ||||||
| 02 | Iahre noch mit einer weitläuftigen Arbeit meinen Plan zu vollenden | ||||||
| 03 | (theils in Lieferung des letzten Theils der Critik, nämlich dem der | ||||||
| 04 | Urtheilskraft, welcher bald herauskommen soll, theils in Ausarbeitung | ||||||
| 05 | eines Systems der Metaphysik, der Natur sowohl als der Sitten, | ||||||
| 06 | jenen critischen Foderungen gemäß,) beladen bin, der überdem durch | ||||||
| 07 | viele Briefe, welche specielle Erklärungen über gewisse Puncte verlangen, | ||||||
| 08 | unaufhörlich in Athem erhalten werde, und oben ein von immer wankender | ||||||
| 09 | Gesundheit bin. Ich war schon halb entschlossen das Mscrpt | ||||||
| 10 | so fort, mit der erwähnten ganz gegründeten Entschuldigung, zurük | ||||||
| 11 | zu schicken; allein ein Blick, den ich darauf warf, gab mir bald die Vorzüglichkeit | ||||||
| 12 | desselben zu erkennen und, daß nicht allein niemand von | ||||||
| 13 | meinen Gegnern mich und die Hauptfrage so wohl verstanden, sondern | ||||||
| 14 | nur wenige zu dergleichen tiefen Untersuchungen soviel Scharfsinn besitzen | ||||||
| 15 | möchten, als Hr. Maymon und dieses bewog mich, seine Schrift | ||||||
| 16 | bis zu einigen Augenblicken der Musse zurük zu legen, die ich nur | ||||||
| 17 | jetzt habe erlangen können, und auch diese nur, um die zwey erste | ||||||
| 18 | Abschnitte durchzugehen, über welche ich jetzt auch nur kurz seyn kan. | ||||||
| 19 | HEn Maymon bitte ich diesen Begrif zu communiciren. Es | ||||||
| 20 | versteht sich, wie ich denke, von selbst, daß er dazu nicht geschrieben | ||||||
| 21 | sey, um im Drucke zu erscheinen. | ||||||
| 22 | Wenn ich den Sinn derselben richtig gefaßt habe, so gehen sie | ||||||
| 23 | darauf hinaus, zu beweisen: daß, wenn der Verstand auf sinnliche | ||||||
| 24 | Anschauung (nicht blos die empirische, sondern auch die a priori) eine | ||||||
| 25 | gesetzgebende Beziehung haben soll, so müsse er selbst der Urheber, es | ||||||
| 26 | sey dieser sinnlichen Formen, oder auch sogar der Materie derselben, | ||||||
| 27 | d. i. der Obiecte, seyn, weil sonst das qvid iuris nicht Gnugthuend | ||||||
| 28 | beantwortet werden könne, welches aber nach Leibnizisch=Wolfischen | ||||||
| 29 | Grundsätzen wohl geschehen könne, wenn man ihnen die Meynung beylegt, | ||||||
| 30 | daß Sinnlichkeit von dem Verstande gar nicht specifisch unterschieden | ||||||
| 31 | wären, sondern jene als Welterkentnis blos dem Verstande | ||||||
| 32 | zukomme, nur mit dem Unterschiede des Grades des Bewustseyns, der | ||||||
| 33 | in der ersteren Vorstellungsart ein Unendlich-Kleines, in der zweyten | ||||||
| 34 | eine gegebene (endliche) Größe sey und daß die Synthesis a priori nur | ||||||
| 35 | darum objective Gültigkeit habe, weil der Göttliche Verstand, von dem | ||||||
| 36 | der unsrige nur ein Theil, oder, nach seinem Ausdrucke, mit dem | ||||||
| 37 | unsrigen, obzwar nur auf eingeschränkte Art, einerley sey, d.i. selbst | ||||||
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