Kant: AA X, Briefwechsel 1788 , Seite 529 |
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320. | |||||||
02 | Von Carl Leonhard Reinhold. | ||||||
03 | 1. März 1788. | ||||||
04 | So eben, mein Verehrungswürdigster, erhalte ich von Weimar | ||||||
05 | das zweyte Stück des diesjährigen teutschen Merkurs, welches den Beschluß | ||||||
06 | der Abhandlung über den Gebrauch der teleologischen | ||||||
07 | Principien enthält. Nur der Respekt vor Ihrer Zeit hält meinen | ||||||
08 | Schwiegervater ab Ihnen selbst zu schreiben wie sehr er Ihnen für diese | ||||||
09 | wesentliche Zierde seiner Zeitschrift verbunden ist, und wie sehr er sich | ||||||
10 | freut, daß sein Tochtermann, den er den Sohn seines Herzens nennt, | ||||||
11 | an Ihrer Hand zuerst dem lesenden Publikum vorgeführt ist. Meinen | ||||||
12 | Dank nehme ich mit mir hinüber, wohin Sie mir die bestimte, feste | ||||||
13 | unverlierbare Aussicht eröfnet haben. | ||||||
14 | Die zweyte Hälfte des Aufsatzes habe ich nicht zur Revision erhalten | ||||||
15 | - durch ein Versehen des Buchdruckers der Wielands Auftrag | ||||||
16 | vergaß. Dennoch sind meines Wissens keine beträchtlichen Druckfehler | ||||||
17 | stehen geblieben. Alle, die ich nach der sorgfältigsten Durchlesung | ||||||
18 | finden werde, sollen im nächsten Stücke angezeigt werden. | ||||||
19 | Prof. Iakob beharrt bey seinem Entschlusse ein Iournal herauszugeben, | ||||||
20 | das vorzüglich der Prüfung Ihrer grossen Entdeckungen auf | ||||||
21 | den Feldern der spekulativen und Praktischen Philosophie offen stehen soll. | ||||||
22 | Sobald unser Plan zur Reife gediehen seyn wird, werden wir ihn | ||||||
23 | unsrem gemeinschaftlichen Lehrer vorlegen. Wir wissen, daß das Glück | ||||||
24 | dieser Zeitschrift gemacht seyn würde, wenn Sie dieselbe zum Vehikel | ||||||
25 | würdigten, Ihre Erläuterungen und was sie sonst in wenigen Blättern | ||||||
26 | schreiben dürften ins Publikum zu bringen. Vor allen aber muß ich | ||||||
27 | Prof. Iakob, den ich nur durch Recensionen kenne, aus seinen eigenen | ||||||
28 | Schriften, die ich bisher meiner äusserst beschränkten Zeit wegen nicht | ||||||
29 | lesen konnte, näher kennen lernen. In dem Briefe an Meiners (: im | ||||||
30 | Archenholzens Iournal :) hat er viel trefliches - aber nur nicht in | ||||||
31 | dem Tone, der mir hier der schickliche dünkt, gesagt. Der gute Mann | ||||||
32 | scheint vergessen zu haben, daß seine Überlegenheit über den Göttinger, | ||||||
33 | die er freylich gefühlt haben muß, da sie sogar dem nächsten Besten | ||||||
34 | Leser seines Aufsatzes in die Augen springt - nicht so viel sein | ||||||
35 | als seiner Sache - Verdienst ist, und daß die Waffen, durch welche | ||||||
36 | ihm der Sieg so leicht wird, nicht von ihm selbst verfertiget worden. | ||||||
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