Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 444

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Zeit gehe ich mit dem Gedancken um, Ihre vortreflichen Schriften      
  02 nach und nach in altes klaßisches Latein zu übersetzen. Meine Gründe      
  03 dafür sind folgende: Wercke von dieser Art, die gewiß nicht iedes Iahrhundert      
  04 erzeugt, und welche die wichtigsten Revolutionen im philosophischen      
  05 Staate erwarten laßen, sind nicht nur werth den Ausländern      
  06 bekannt zu werden, sondern können auch nicht früh genug denselben      
  07 in die Hand geführt werden. Selten besizt ein Ausländer soviel      
  08 Kenntniß der deutschen Sprache, daß er so tief gedachte Schriften im      
  09 Original lesen und vollkommen verstehen könnte. Die gewöhnlichen      
  10 Uebersetzer haben insgemein, außer einer sehr mittelmäßigen Sprachkenntniß,      
  11 ganz keine Sachkenntniße, besonders wo es auf gründliche      
  12 Philosophie ankömmt. Sie übersetzen daher seicht, unrichtig, räthselhaft      
  13 und nicht selten offenbar widersinnig. Dazu kömmt, daß das      
  14 alte klaßische Latein Iedermann leicht verständlich ist. Zur Probe      
  15 wie etwa meine Uebersetzung ausfallen wurde, habe ich hier mein      
  16 Inauguralprogramm beygefügt. Ich würde mit der Kritik der reinen      
  17 Vernunft den Anfang machen, und so von Zeit zu Zeit die übrigen      
  18 Ihrer meisterhaften Wercke bearbeiten. Ich bin aber nicht eher dazu      
  19 berechtiget, biß ich von Ew. Wohlgeb. Erlaubniß erhalte. Genehmigen      
  20 Sie meinen Einfall nicht; so ist es auf meiner Seite Pflicht, diesen      
  21 Gedancken zu unterdrücken. Findet er aber Beyfall bey Ihnen, so erbitte      
  22 ich mir baldigste Nachricht. Dießfalls wünschte ich zugleich, wenn      
  23 Sie hier und da zur Kritik der reinen Vernunft kurze Zusäze und      
  24 Erläuterungen, oder Zurechtweisungen gegen die Tiedemannischen, oft      
  25 ganz unerheblichen, Einwürfe beyzufügen für dienlich erachteten, mir      
  26 selbige gütigst mitzutheilen, damit ich sie an den gehörigen Orten in      
  27 der Uebersetzung einschalten könnte. Würde Ihr Verleger sich dazu      
  28 verstehen, auch die Uebersetzung in Verlag zu nehmen; so würde mir      
  29 es um desto angenehmer seyn. Ich bitte übrigens um das Geschenck      
  30 Ihrer besondren Gewogenheit, und um die geneigteste Erlaubniß, Ihnen      
  31 zuweilen schriftlich meine Ergebenheit bezeugen zu dürfen, und verharre      
  32 mit ungemeßner Hochachtung und Verehrung      
           
  33   Ew. Wohlgeb.      
  34 Leipzig ganz gehorsamster Diener      
  35 am 7 May Friedrich Gottlob Born.      
  36 1786        
           
           
           
     

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