Kant: AA X, Briefwechsel 1785 , Seite 428 |
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256. | |||||||
02 | An Christian Gottfried Schütz. | ||||||
03 | Ende Nov. 1785. | ||||||
04 | Obgleich das Werk des würdigen M.[endelssohn] in der Hauptsache | ||||||
05 | für ein Meisterstück der Täuschung unsrer Vernunft zu halten ist, wenn | ||||||
06 | sie die subjectiven Bedingungen ihrer Bestimmung der Objecte überhaupt, | ||||||
07 | für Bedingungen der Möglichkeit dieser Objecte selbst hält, eine Täuschung, | ||||||
08 | die in ihrer wahren Beschaffenheit darzustellen, und den Verstand | ||||||
09 | davon gründlich zu befreyen gewiß keine leichte Arbeit ist; so | ||||||
10 | wird doch dieses treffliche Werk außerdem, was in der Vorerkenntniß | ||||||
11 | über Wahrheit, Schein und Irrthum, Scharfsinniges, Neues, und | ||||||
12 | musterhaft Deutliches gesagt ist, und was in jedem philosophischen Vortrage | ||||||
13 | sehr gut angewandt werden kann, durch seine zweyte Abtheilung, | ||||||
14 | in der Kritik der menschlichen Vernunft von wesentlichem Nutzen seyn. | ||||||
15 | Denn da der Vf. in der Darstellung der subjectiven Bedingungen des | ||||||
16 | Gebrauchs unserer Vernunft endlich dahin gelangt, die Schlußfolge zu | ||||||
17 | ziehen, daß nichts denkbar sey, ohne sofern es von irgend einem | ||||||
18 | Wesen wirklich gedacht wird, und überhaupt ohne Begriff kein | ||||||
19 | Gegenstand wirklich vorhanden sey (S. 303) und daraus folgert, daß ein | ||||||
20 | unendlicher und zugleich thätiger Verstand wirklich seyn müsse, weil nur | ||||||
21 | in Beziehung auf ihre Möglichkeit oder Wirklichkeit Prädicate der | ||||||
22 | Dinge von Bedeutung seyn können; da auch in der That in der menschlichen | ||||||
23 | Vernunft und ihren Naturanlagen ein wesentliches Bedürfniß | ||||||
24 | liegt, gleichsam mit diesem Schlußsteine ihrem freyschwebenden Gewölbe | ||||||
25 | Haltung zu geben, so giebt diese äußerst scharfsinnige Verfolgung | ||||||
26 | der Kette unsrer Begriffe, in der Erweiterung derselben bis zur Umfassung | ||||||
27 | des Ganzen die herrlichste Veranlassung und zugleich Auffoderung | ||||||
28 | zur vollständigen Kritik unsers reinen Vernunftvermögens, | ||||||
29 | und zur Unterscheidung der blos subjectiven Bedingungen ihres Gebrauchs | ||||||
30 | von denen, dadurch etwas vom Objecte gültiges angezeigt | ||||||
31 | wird. Dadurch muß denn reine Philosophie nothwendig gewinnen, | ||||||
32 | gesetzt auch, daß es sich nach vollendeter Prüfung ergäbe, daß hier | ||||||
33 | Illusion sich einmische, und etwas scheine Eroberung im Felde sehr | ||||||
34 | entlegener Objecte zu seyn, was doch nur (ob zwar sehr nützliche) | ||||||
35 | Leitung des Subjects unter uns sehr nahe umgebenden Gegenständen | ||||||
36 | seyn möchte. Man kann dieses letzte Vermächtniß einer dogmatisirenden | ||||||
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