Kant: AA X, Briefwechsel 1785 , Seite 417 |
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01 | Nehmen Sie nun aber meinen vorzüglichsten Dank an für den | ||||||
02 | vortreflichen Aufsatz über die Geschichte der Menschheit, den Sie mir | ||||||
03 | letzt zur Monatsschrift geschikt haben. Das ist ein Stük der erhabensten | ||||||
04 | edelsten Philosophie, die wahrhaft erbaut u. die Seele erhebet. Solche | ||||||
05 | Betrachtungen sind es immer gewesen, mit denen ich mich zum liebsten | ||||||
06 | beschäftiget habe, für die ich aber nur selten Nahrung fand. Sie | ||||||
07 | bringen uns zu einem hohen Standpunkte, wo wir das Ganze übersehn | ||||||
08 | können, u. wo die größten Widersprüche sich in Harmonie vereinigen. | ||||||
09 | Es ist ein kostbares Geschenk, was Sie durch uns dem | ||||||
10 | Publikum geben; u. es thut mir um desto mehr leid, daß wir es nicht | ||||||
11 | gleich im Decemb. mittheilen können. H. Garve sucht (Gott weiß, | ||||||
12 | warum) noch einmal die Katholiken u. sogar Iesuiten u. den Papst | ||||||
13 | in Schutz zu nehmen; es ist ein langer Brief an mich, worauf ich | ||||||
14 | aber antworten werde. Dieses Schreiben u. meine Antwort werden | ||||||
15 | im Decembermonate allen Platz für größere Stükke wegnehmen. So | ||||||
16 | gutes Spiel man sonst gewöhnlich gegen die Katholiken u. ihre Freunde | ||||||
17 | hat; so sauer wirds einem doch, wenn ein Garve sich auf die Spitze | ||||||
18 | derselben stellt. Indeß soll mich noch Ihr Beyfall, den Sie mir letzt | ||||||
19 | so gütig meldeten, anfeuern; u. ich hoffe, der guten Sache der Wahrheit | ||||||
20 | nichts zu vergeben. | ||||||
21 | Ich werde dem Minister den von Ihnen genannten H. Pörschke | ||||||
22 | vorschlagen; u. er wird ohne Zweifel gern in einen Vorschlag, der | ||||||
23 | ursprünglich von Ihnen kömt, willigen. | ||||||
24 | Aber wo nimt man einen Orientalisten an Köhlers Stelle her, | ||||||
25 | der nun durchaus wegwill? Mein theurer Freund Prof. Kraus nannte | ||||||
26 | mir einmal einen H. Hill, den er aber noch selbst nicht genug kenne. | ||||||
27 | Nun begreife ich zwar wohl, daß die orientalische Welt etwas außer | ||||||
28 | der unsrigen liegt; allein dieser H. Hill schien, mit seinem Zettel von | ||||||
29 | Lavater den er allenthalben vorzeigte, doch gar zu niais, als daß man | ||||||
30 | ihm sobald ein wichtiges Amt in unsrer Welt ertheilen könnte. Mit | ||||||
31 | der Zeit, wenn er mehr Reife des Verstandes haben wird, mag er | ||||||
32 | einst ein recht brauchbarer Mann werden. | ||||||
33 | Wissen Sie dort sonst keinen Orientalisten zu nennen? Denn | ||||||
34 | gerne suchte ich es so bei dem Minister einzurichten, daß er lieber | ||||||
35 | einen dortigen nehme, als einen Fremden hinschikke, da die Fremden | ||||||
36 | doch gar nicht dort zu gedeihen scheinen. | ||||||
37 | Vergessen Sie doch nicht, ein Wort über die philosophische | ||||||
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