Kant: AA X, Briefwechsel 1785 , Seite 409 |
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01 | Hr. Heinike in Leipzig, der zwar ein großer Verehrer Ihrer Critik | ||||||
02 | ist, sie aber auf seinen Buchstabirkram, nisi me omnia fallunt , | ||||||
03 | ganz link und verkehrt anwendet. Eine Recension hat mir diesen guten | ||||||
04 | Mann auf den Hals gezogen, den ich nun schlechterdings nicht bedeuten | ||||||
05 | kann, weil er keine Raison annimmt Wer weiß, ob ich am Ende nicht | ||||||
06 | Sie selbst zum SchiedsRichter annehmen muß. | ||||||
07 | In Ihrer Grundlegung habe ich unter mehrern Stellen, die mich | ||||||
08 | ganz hingerissen haben, besonders die Bemerkung über den Ursprung | ||||||
09 | einer gewissen Art von Misologie deshalb sehr interessant für mich gefunden, | ||||||
10 | weil ich oft selbst Anwandlungen davon gehabt habe. | ||||||
11 | Ich bin auf vieles äuserst begierig, was für Aufschlüsse Sie noch | ||||||
12 | geben werden; aber unter andern auch auf die Beantwortung folgender | ||||||
13 | Frage: | ||||||
14 | Da gewisse Pflichten von der Art sind, daß bey der Ausübung | ||||||
15 | ein gewisses Maas unumgänglich erfodert wird, welches | ||||||
16 | unmöglich a priori bestimmt werden kann, woraus soll alsdenn | ||||||
17 | dis Maas sonst bestimmt werden? z. B. Allmosen zu geben ist | ||||||
18 | Pflicht. Aber wie viel? Soll hier sich jemand blos gutherzigen | ||||||
19 | Trieben überlassen? Oder soll er eine gewisse ratam seines Vermögens | ||||||
20 | festsetzen? Was für ein Grund wäre aber dazu da? | ||||||
21 | Sagt einer ich will den Zehnten geben, so kann ein andrer sagen | ||||||
22 | der Zwanzigste ist schon genug. | ||||||
23 | Wenn Sie erst mit allen noch rückständigen Theilen Ihres großen | ||||||
24 | Unternehmens zu Stande sind, so werden Sie doch wohl auch auf | ||||||
25 | gemachte Einwürfe antworten, welches meiner Meinung nach am zweckmäßigsten | ||||||
26 | in der berliner Monatschrift geschehen könnte. Ich wei | ||||||
27 | nicht ob Sie Hn. Tiedemans Aufsätze in den Hessischen Beyträgen | ||||||
28 | gelesen haben. Ich habe nichts erhebliches darin gefunden; da er mir | ||||||
29 | Sie fast durchgehends misverstanden zu haben scheinet. | ||||||
30 | Ich wünsche Ihnen, Verehrungswürdigster Lehrer, das längste | ||||||
31 | Leben; ich werde mit meinem Schicksale höchlich zufrieden seyn, wenn | ||||||
32 | ich die Vollendung Ihres vortrefflichen Gebäudes erlebe. Nichts kann | ||||||
33 | mir angenehmer seyn, als jede Nachricht die mich dem Anblicke davon | ||||||
34 | näher bringt. Ich wünsche niemanden etwas Böses; aber die Verrenkung | ||||||
35 | der Hand hätte doch gewiß hundert Scribler eher treffen können. | ||||||
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