Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 360

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 befreit bin, so genüße ich gegenwärtig wenigstens diejenige innere Ruhe      
  02 und Stille, die nöthig ist, damit ich meine Geistes=Kräfte zusammenfaße,      
  03 zur Thätigkeit und Arbeit; dies war mir aber während meines fünfjährigen      
  04 Auffenthalts in Preußen nicht möglich. Welch ein andre      
  05 Mann hätte ich werden müßen, wenn ich in diesen fünf Iahren, die      
  06 Fähigkeit zum Arbeiten gehabt hätte, die sich nun gegenwärtig bei mir      
  07 einstellt. Aber so war ich krank dem Leibe und der Seele nach: und      
  08 nun schon beinahe sieben Iahre lang war ich ein Opfer des Grams      
  09 und seel=tödtender Traurigkeit geworden, wodurch alle Verhältniße      
  10 dieses Lebens für mich verrükt worden waren. - Mein Arbeiten und      
  11 Studieren ist Preußen, war nur die Frucht weniger abgestohlner      
  12 Augenblikke. - Mit meiner körperlichen Gesundheit hat es sich über      
  13 mein Vermuthen gebeßert. Gegenwärtig fühle ich von den Übeln gar      
  14 nichts, die mich so lange her gepeinigt hatten. Meine Verdauungssäfte      
  15 sind hergestellt, und ich kann wieder, so wie andre Menschen,      
  16 eßen und trinken.      
           
  17 Da Sie, edelmüthigster Menschenfreund, so vielen Antheil an      
  18 meinem Schiksaal genommen, so habe ich mir die Freiheit genommen,      
  19 so weitläufig über mich selbst zu reden. - Freuen will ich mich, wenn      
  20 ich höre, daß Ew. Wohlgeb. sich gesund und wohl befinden: Möge      
  21 doch die Welt noch lange das Glük haben, den Mann zu besizzen und      
  22 sich seiner zu freuen, der sich derselben als Edler und Weiser so wohlthätig      
  23 zu machen weiß. - Und nun leben Sie wohl, verehrungswürdiger,      
  24 edler, großmütiger Freund! Mein ganzes Herz vereinigt      
  25 sich in Hochachtung, Liebe und Seegen für Sie! - Friede und Heil      
  26 müße immerdar über Ihnen wohnen! - Leben Sie wohl, Edelster      
  27 unter den Menschen! Mit ganzer Seele verehre ich Sie: und in dem      
  28 ganzen Geist dieser Gefühle, erlaße ich mich als      
           
  29   Dero      
  30 W. den 15 Oct 83.        
  31   treugehorsamsten und ewig verbundensten      
  32   Pl.      
           
  33 Vergeben Sie mir, mein edelmüthiger Freund und Gönner, da      
  34 ich Ihnen damit beschwerlich falle, Sie zu bitten die Einlagen nebst      
  35 den drei Exemplaren meiner Schrift zu besorgen: Ich muß noch verschiedne      
  36 Konnexionen in Königsberg unterhalten: da ich Seit so so langer      
  37 Zeit, seit einem halben Iahr nichts aus Königsberg erfahren, so wußte      
           
     

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