Kant: AA X, Briefwechsel 1780 - 1781 , Seite 263 |
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159. | |||||||
02 | Von Hieronymus Gottfried Wielkes. | ||||||
03 | Moscau d 16 Dec 1780. | ||||||
04 | HochEdelgebohrner, Hochgelahrter Herr Profeßor, | ||||||
05 | Sehr wehrtgeschatzter Freund. | ||||||
06 | Es war eine Zeit, in der ich glaubte, Niemals mehr auf Ihr | ||||||
07 | letztes gütiges Schreiben, antworten zu können. Eine schwere Krankheit, | ||||||
08 | deren Folgen beynahe zehn Monahte angehalten, hat mich des Vergnügens | ||||||
09 | einer Unterhaltung mit Ihnen beraubt; Eines Vergnügens, | ||||||
10 | welches vielleicht das Einzige ist, welches ich noch wünschen darf, wenn | ||||||
11 | ich anders deßen, was man das Geräusch der Welt nent, satt bin. | ||||||
12 | Ich darf Ihnen jetzt nicht mehr sagen, warum ich dieses Iahr meine | ||||||
13 | Rückreise nach meinem Vaterlande nicht angetreten habe. Ich war | ||||||
14 | ganz fertig dazu als der Todt auklopfte. Ich habe ihn überwunden | ||||||
15 | und eben dadurch die Bande die mich an diese Famielie binden noch | ||||||
16 | fester zugezogen. Wie kan ich einen Mann verlaßen, der mir sagt, | ||||||
17 | daß ich ihm noch nöhtig bin, und dem ich, nächst der Vorsehung ein | ||||||
18 | neues Leben schuldig bin? Also noch ein Iahr, mein wehrtester Herr | ||||||
19 | Profeßor, und denn hoffe ich in Ruhe in Ihrer Geselschaft, die mir | ||||||
20 | so unterrichtend wäre, die letzten Tage meines Lebens zu sehen. Das | ||||||
21 | ist das wornach ich strebe; alle übrige Leidenschaften sind erschlaft. | ||||||
22 | Hätte ich gedacht daß ich ihrer so früh loß seyn solte? - Das ist | ||||||
23 | mein Schicksal: aber ich klage nicht darüber. | ||||||
24 | Mögen Sie, mein theurester Freund! dieses bevorstehende neue | ||||||
25 | Iahr mit lauter Freude anfangen und durchleben! Das wünscht Ihr | ||||||
26 | dankbahrer Schüler, der seinen ganzen Wehrt aus Ihrem Umgange | ||||||
27 | geschöpft hat. Auf diesen Fuß bitte ich Sie um Ihre Liebe und | ||||||
28 | Andenken. Ich bin mit der äußersten Hochachtung | ||||||
29 | Ew. HochEdelgebohrnen | ||||||
30 | ganz gehorsamster Diener | ||||||
31 | H G Wielkes | ||||||
160. | |||||||
33 | Von Iohann Ernst Lüdeke. | ||||||
34 | 18. Ian. 1781 | ||||||
35 | Mein verehrungswürdigster Lehrer | ||||||
36 | Unter den so vielen, die Sie mit dem dankbarsten Herzen bey | ||||||
37 | diesem Nahmen nennen, werden Sie sich freilich unmöglich auf einen | ||||||
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