Kant: AA X, Briefwechsel 1778 , Seite 231 |
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01 | in gutgeschaffenen Seelen zu bevestigen und dadurch der Ausbildung | ||||||
02 | der Talente die einzige zweckmäßige Richtung zu geben. | ||||||
03 | In diesem Betracht vermischt sich meine angenehme Emfindung | ||||||
04 | doch mit etwas Schwermüthigem, wenn ich mir einen Schauplatz eröfnet | ||||||
05 | sehe, wo diese Absicht in weit größerem Umfange zu befördern | ||||||
06 | ist und mich gleichwohl durch den kleinen Antheil von Lebenskraft, | ||||||
07 | der mir zugemessen worden, davon ausgeschlossen finde. Gewinn und | ||||||
08 | Aufsehen auf einer großen Bühne haben, wie Sie wissen, wenig | ||||||
09 | Antrieb vor mich. Eine friedliche und gerade meiner Bedürfnis angemessene | ||||||
10 | Situation, abwechselnd mit Arbeit, Spekulation und Umgang | ||||||
11 | besetzt, wo mein sehr leicht afficirtes, aber sonst sorgenfreyes Gemüth | ||||||
12 | und mein noch mehr läunischer, doch niemals kranker Körper, ohne | ||||||
13 | Anstrengung in Beschäftigung erhalten werden, ist alles was ich | ||||||
14 | gewünscht und erhalten habe. Alle Veränderung macht mich bange, | ||||||
15 | ob sie gleich den größten Anschein zur Verbesserung meines Zustandes | ||||||
16 | giebt und ich glaube auf diesen Instinkt meiner Natur Acht haben | ||||||
17 | zu müssen, wenn ich anders den Faden, den mir die Parzen sehr dünne | ||||||
18 | und zart spinnen, noch etwas in die Länge ziehen will. Den größesten | ||||||
19 | Dank also meinen Gönnern und Freunden, die so gütig gegen mich | ||||||
20 | gesinnet sind, sich meiner Wohlfarth anzunehmen, aber zugleich eine | ||||||
21 | ergebenste Bitte, diese Gesinnung dahin zu verwenden, mir in meiner | ||||||
22 | gegenwärtigen Lage alle Beunruhigung (wovon ich zwar noch immer | ||||||
23 | frey gewesen bin) abzuwehren und dagegen in Schutz zu nehmen. | ||||||
24 | Ihre medicinische Vorschriften werthester Freund sind mir sehr | ||||||
25 | willkommen, auf den Nothfall, aber, da sie laxative enthalten, die | ||||||
26 | überhaupt meine Constitution sehr angreifen und unausbleiblich von | ||||||
27 | verhärteter Obstruktion gefolgt sind und ich wirklich, wenn die | ||||||
28 | morgendliche Evacuation nur regelmäßig geschieht, mich nach meiner | ||||||
29 | Manier d. i. auf schwächliche Art gesund befinde, da ich auch eine | ||||||
30 | viel bessere Gesundheit niemals genossen habe, so bin ich schließig, | ||||||
31 | der Natur weiterhin ihre Vorsorge zu überlassen und nur, wenn sie | ||||||
32 | ihren Beystand versagt, zu Mitteln der Kunst Zuflucht zu nehmen. | ||||||
33 | Daß von meiner unter Händen habenden Arbeit schon einige Bogen | ||||||
34 | gedrukt seyn sollen ist zu voreilig verbreitet worden. Da ich von | ||||||
35 | mir nichts erzwingen will (weil ich noch gerne etwas länger in der | ||||||
36 | Welt arbeiten möchte) so laufen viel andre Arbeiten zwischen durch. | ||||||
37 | Sie rückt indessen weiter fort und wird hoffentlich diesen Sommer | ||||||
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