Kant: AA X, Briefwechsel 1775 , Seite 183 |
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Text (Kant):
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01 | Zeit nicht ungehört bleibenden: Straff mich Gott! versichert, daß Dieselben | ||||||
02 | vorzüglich[, der] über die frappante Gleichförmigkeit des physiognostischen | ||||||
03 | A-Stiches mit dem Original wenigstens sein Erstaunen bezeugt haben soll. | ||||||
04 | Da ich aus meinen natürlichen Ohren vor dem Publico kein | ||||||
05 | Geheimnis machen kann, weil mir schon leider! seit Iahr und Tag | ||||||
06 | 3 rth zu einer neuen Perücke fehlen: so möchte ich es doch nicht gern | ||||||
07 | auf eine Probe aussetzen, aus Ihres Herrn Wirths Lucullischen) Leipziger | ||||||
08 | Apparatu meine Organa sapientiae und Ihre Blöße wie (zum | ||||||
09 | Exempel) mein Freund Lauson zu bedecken. | ||||||
10 | Was mein geistliches oder symbolisches Ohr betrifft: so kann ich | ||||||
11 | es freylich ohne Undank gegen die gütige und freygebige Natur nicht | ||||||
12 | verbergen, daß ich in der Gabe zu hören alle meine Freunde und | ||||||
13 | Vertraute ziemlich übertreffe und daher würklich das unsichtbare organon | ||||||
14 | dieses Sinns um einige Zoll länger und ein gut Theil spitziger | ||||||
15 | vermuthe, als es von dem St. Lips. nachgezeichnet und nachgestochen | ||||||
16 | worden - und daß ich für die ewige Leyer der reinen Vernunft und | ||||||
17 | des schönen und erhabenen Geschmacks ein noch gröberer Asinus seyn | ||||||
18 | werde als es dem symbolischen A-Stich bis dato anzusehen ist. | ||||||
19 | Im Grunde ist aber der gantze freundschaftliche Hiroglyphe meiner | ||||||
20 | erkünstelte[n] und mehr affectierte[n] wie meiner unsichtbaren Natur | ||||||
21 | angemessene[n] Grobheit oder Freyheit ein Schusterjungen Einfall, | ||||||
22 | den die Anmerkung des weisen Horatz bestätigt: | ||||||
23 | Naturam expellas furca; tamen usque recurret | ||||||
24 | Et male perrumpet furtim fastidia victrix . | ||||||
25 | Lib. I. Ep. X. v. 24. 25. | ||||||
26 | Wer mit einer so faulen und concreten Methode mich abzuschrecken | ||||||
27 | zu widerlegen u. sich zu decken meynt, wird sich in fine betrogen | ||||||
28 | finden. Weil ich aber mit Pfriemen nicht umzugehen weiß: so soll | ||||||
29 | mein gemiethet ScheerMesser noch manchen unversehrten Wangenbart | ||||||
30 | in die Glutheiligen Gesänge versetzen. | ||||||
31 | Des berühmten Cicisbeo freche Lügen, anatomische Mordgräuel, | ||||||
32 | Auswüchse am Ende der meinigen, reiche Werke des guten Geruchs | ||||||
33 | sollen in einer Kupferplate erscheinen, deren Ausgabe ich meinen neuerworbenen | ||||||
34 | Freunden Zimmermann und Lavater zu überlassen denke. | ||||||
35 | Dieser Nationalzug der philosophischen und moralischen Canaille | ||||||
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