Kant: AA X, Briefwechsel 1774 , Seite 169 |
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01 | bey nahem Donnerwetter, zwey Bogen mit einer Kupfertafel, | ||||||
02 | welche einem Geh: Secret: Lichtenberg zugeschrieben wird, thun | ||||||
03 | könte; allein sie ist mit dem Kanterschen Meßvorrath nicht mitgekommen | ||||||
04 | vielleicht ist sie bey Hartungs. Ich habe die Ehre mit der | ||||||
05 | größesten Hochachtung zu seyn | ||||||
06 | Ew: Wohlgeb. | ||||||
07 | ergebenster Diener | ||||||
08 | Kant. | ||||||
94. | |||||||
10 | Von Gottlob David Hartmann. | ||||||
11 | 4. Sept. 1774. | ||||||
12 | Ich habe mir von Ihnen, mein theurster Herr Professor, die | ||||||
13 | Erlaubniß ausgebeten, mich mit Ihnen schriftlich zu unterhalten, und | ||||||
14 | nun bin ich schon so lange hier schreibe tagtäglich im Sinn an Sie | ||||||
15 | Aber nun Einmal mache ich mir Vorwürfe darüber, und nun muß | ||||||
16 | ich auch meiner Pflicht Genüge leisten. | ||||||
17 | Ich bereue es sehr, daß ich nicht länger in Königsberg geblieben | ||||||
18 | bin, um Ihres Umgangs zu geniessen; und mir Ihren Rath in verschiedenen | ||||||
19 | Arbeiten, welche ich vor mir habe, zu erbitten. Ihre | ||||||
20 | Critik der reinen Vernunft, aus welcher Sie mir so Manches erzählt | ||||||
21 | haben, hat mich bisher recht lange und oft beschäftigt. | ||||||
22 | Wenn Sie denn einmal diß Werk vollendet haben, so hat, wie | ||||||
23 | mich dünkt, die Philosophie eine ganz andere Gestalt zu erwarten. | ||||||
24 | Sie werden uns Beweis und Gegenbeweis über manche Sätze geben; | ||||||
25 | sie werden bauen, und niederreissen, was Sie gebaut haben, um zu | ||||||
26 | beweisen, daß man bisher nicht den Weg, der der natürlichste war, | ||||||
27 | gewählt hat. | ||||||
28 | Mich dünkt, das Resultat von allem, wird die mir immer mehr | ||||||
29 | sich darstellende Grundwahrheit seyn, daß für die ganze Menschenclasse | ||||||
30 | etwas wahr seyn kann, was für niedere oder höhere nicht ist. | ||||||
31 | Die Eigenschaften der Dinge haben immer Wahrheit, aber man muß | ||||||
32 | nur das Verhältniß betrachten, in welchem sie stehen. | ||||||
33 | Ich habe Gelegenheit gehabt, diß auf verschiedene Sätze schon | ||||||
34 | anzuwenden, und damit ewige Zweifelsucht, oder Wanken zwischen | ||||||
35 | Grund und Gegengrund vermieden. | ||||||
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