Kant: AA X, Briefwechsel 1770 , Seite 108 |
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02 | größere etwas unbestimmte Dauer, oder Zeitpunct etc. | ||||||
03 | Euer HochEdelgeb. werden leicht vermuthen, wie ich nun in Ansehung | ||||||
04 | des Orts und des Raumes denke. Ich setze die Analogie | ||||||
05 | Zeit: Dauer - Ort: Raum | ||||||
06 | die Vieldeutigkeiten der Wörter bey Seite gesetzt, nach aller Schärfe, | ||||||
07 | und ändere sie nur darinn, daß der Raum 3 die Dauer 1 Dimension, | ||||||
08 | und überdiß jeder dieser Begriffe etwas eigenes hat. Der Raum | ||||||
09 | hat wie die Dauer etwas Absolutes und auch endliche Bestimmungen. | ||||||
10 | Der Raum hat wie die Dauer eine ihm eigene Realität, die durch von | ||||||
11 | andern Dingen hergenommene Wörter ohne Gefahr des Mißverstandes | ||||||
12 | nicht anzugeben noch zu definiren ist. Sie ist etwas einfaches, und | ||||||
13 | muß gedacht werden. Die ganze Gedankenwelt gehört nicht zum | ||||||
14 | Raum, sie hat aber ein Simulachrum des Raumes, welches sich vom | ||||||
15 | physischen Raume leicht unterscheidet, vielleicht noch eine nähere als | ||||||
16 | nur eine metaphorische Ähnlichkeit mit derselben hat. | ||||||
17 | Die theologische Schwürigkeiten, die besonders seit Leibnizens | ||||||
18 | und Clarkens Zeiten die Lehre vom Raum mit Dornen angefüllt | ||||||
19 | haben, haben mich bißher in Ansehung dieser Sache noch nicht irre | ||||||
20 | gemacht. Der ganze Erfolg bey mir ist, daß ich verschiedenes lieber | ||||||
21 | unbestimmt laße, was nicht klar gemacht werden kann. Übrigens wollte | ||||||
22 | ich in der Ontologie nicht nach den folgenden Theilen der Metaphysic | ||||||
23 | hinschielen. Ich laße es ganz wohl geschehen, wenn man Zeit und | ||||||
24 | Raum als bloße Bilder und Erscheinungen ansieht. Denn außer da | ||||||
25 | beständiger Schein für uns Wahrheit ist, wobey das zum Grunde | ||||||
26 | ligende entweder gar nie oder nur künftig entdeckt wird; so ist es in | ||||||
27 | der Ontologie nützlich, auch die vom Schein geborgte Begriffe vorzunehmen, | ||||||
28 | weil ihre Theorie zuletzt doch wider bey den | ||||||
29 | Phaenomenis angewandt werden muß. Denn so fängt auch der Astronome | ||||||
30 | beym Phaenomeno an, leitet die Theorie des Weltbaues daraus | ||||||
31 | her, und wendet sie in seinen Ephemeriden wieder auf die Phaenomena | ||||||
32 | und deren Vorherverkündigung an. In der metaphysic, wo die | ||||||
33 | Schwürigkeit vom Schein so viel Wesens macht, wird die Methode | ||||||
34 | des Astronommen wohl die sicherste seyn. Der Metaphysiker kann alles | ||||||
35 | als Schein annehmen, den leeren vom reellen absöndern, aus dem | ||||||
36 | reellen auf das wahre schließen. Und fährt er damit gut, so wird er | ||||||
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