Kant: AA X, Briefwechsel 1770 , Seite 097 |
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01 | Bemühung darbot, mit vereinigten Prüfungen und Nachforschungen | ||||||
02 | den Plan zu einem sicheren Gebäude zu entwerfen. Ich konte mich | ||||||
03 | nicht entschließen etwas minderes, als einen deutlichen Abris von der | ||||||
04 | Gestalt darinn ich diese Wissenschaft erblicke und eine bestimte Idee | ||||||
05 | der eigenthümlichen Methode in derselben zu überschicken. Die Ausführung | ||||||
06 | dieses Vorhabens flochte mich in Untersuchungen ein, die mir | ||||||
07 | selbst neu waren und bey meiner ermüdenden academischen Arbeit | ||||||
08 | einen Aufschub nach dem andern nothwendig machte. Seit etwa einem | ||||||
09 | Iahre bin ich, wie ich mir schmeichle, zu demienigen Begriffe gekommen | ||||||
10 | welchen ich nicht besorge iemals ändern, wohl aber erweitern zu dürfen | ||||||
11 | und wodurch alle Art methaphysischer quaestionen nach ganz sichern | ||||||
12 | und leichten criterien geprüft und, in wie fern sie auflöslich sind oder | ||||||
13 | nicht, mit Gewisheit kan entschieden werden. | ||||||
14 | Der Abris dieser ganzen Wissenschaft, so ferne er die Natur | ||||||
15 | derselben, die ersten Quellen aller ihrer Urtheile und die Methode | ||||||
16 | enthält nach welcher man leichtlich selbst weiter gehen kan, könte in | ||||||
17 | einem ziemlich kurzen Raume nemlich in einigen wenigen Briefen | ||||||
18 | Ihrer gründlichen und belehrenden Beurtheilung vorgelegt werden, und | ||||||
19 | dieses ist es auch, wovon ich mir eine vorzügliche Wirkung verspreche | ||||||
20 | und wozu ich mir die Erlaubnis hiedurch besonders ausbitte. Allein, | ||||||
21 | da in einer Unternehmung von solcher Wichtigkeit einiger Aufwand | ||||||
22 | der Zeit gar kein Verlust ist, wenn man dagegen etwas vollendetes | ||||||
23 | und dauerhaftes liefern kan, so muß ich noch bitten das schöne | ||||||
24 | Vorhaben diesen Bemühungen beyzutreten vor mich noch immer | ||||||
25 | unverändert zu erhalten und indessen der Ausführung desselben noch | ||||||
26 | einige Zeit zu verwilligen. Ich habe mir vorgesetzt, um mich von | ||||||
27 | einer langen Unpäslichkeit die mich diesen Sommer über mitgenommen | ||||||
28 | hat zu erholen, und gleichwohl nicht ohne Beschäftigung in den Nebenstunden | ||||||
29 | zu seyn, diesen Winter meine Untersuchungen über die reine | ||||||
30 | moralische Weltweisheit, in der keine empirische principien anzutreffen | ||||||
31 | sind u. gleichsam die Metaphysic der Sitten, in Ordnung zu bringen | ||||||
32 | u. auszufertigen, Sie wird in vielen Stücken den wichtigsten Absichten | ||||||
33 | bey der veränderten Form der Metaphysick den Weg bähnen, und | ||||||
34 | scheinet mir überdem bey denen zur Zeit noch so schlecht entschiedenen | ||||||
35 | principien der practischen Wissenschaften eben so nöthig zu seyn. Nach | ||||||
36 | Vollendung dieser Arbeit werde ich mich der Erlaubnis bedienen die | ||||||
37 | Sie mir ehedem gaben, meine Versuche in der metaphysic, so weit | ||||||
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