Kant: AA X, Briefwechsel 1759 , Seite 026

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
    17.      
  02 Von Iohann Georg Hamann.      
           
  03 Ende Dec. 1759.      
           
  04 GeEhrter Freund,      
           
  05 Dieser Name ist nicht ein leeres Wort für mich; sondern eine      
  06 Qvelle von Pflichten und Entzückungen, die sich auf einander beziehen.      
  07 Aus diesem Gesichtspunct werden Sie Beylage beurtheilen. Es gehört      
  08 nicht immer ein Scheffel Saltz zu dem Bündniße, das man Freundschaft      
  09 nennt. Ich schmäuchele mir also, daß ich mit dem Handvoll abkommen      
  10 werde, womit ich gegenwärtigen Brief habe würzen müßen.      
           
  11 Ihr Stillschweigen über gewiße Dinge, wo die Redlichkeit einem      
  12 Stummen die Zunge lösen würde, ist eine Beleidigung für mich, die      
  13 ich eben so wenig erklären kann, oder so schlecht erklären muß, als Sie      
  14 meine auffahrende Hitze.      
           
  15 Ich habe Lust an dem Werke zu arbeiten, davon die Rede unter      
  16 uns ist. Für einen einzigen ist es zu schwer, und zwey sind beßer      
  17 als drey. Wir möchten auch vielleicht von einigem Geschicke dazu      
  18 seyn, und von einem Zuschnitte, der zusammen paßete. Wir müßen      
  19 aber unsere Schwächen und Blößen so genau kennen lernen, da      
  20 keine Eyfersucht noch Misverständnis unter uns möglich ist. Auf      
  21 Schwächen und Blößen gründet sich die Liebe, und auf diese die Fruchtbarkeit.      
  22 Sie müßen mich daher mit eben dem Nachdruck zurückstoßen,      
  23 womit ich Sie angreife; und mit eben der Gewalt sich meinen Vorurtheilen      
  24 wiedersetzen, womit ich die Ihrigen angreife: oder ,Ihre Liebe      
  25 zur Wahrheit und Tugend werden in meinen Augen so verächtlich als      
  26 Bulerkünste aussehen.      
           
  27 Einigkeit gehört also zu unserm Entwurf. Die darf nicht in      
  28 Ideen seyn, und kann darinn nicht gesucht noch erhalten werden, sondern      
  29 in der Kraft und dem Geist, dem selbst Ideen unterworfen sind; wie      
  30 die Bilder des rechten und linken Auges durch die Einheit des Gesichtsnerven      
  31 zusammenflüßen.      
           
  32 Ich wünschte daher, daß Sie mich über meine 2 Briefe von      
  33 dieser Materie zur Rede gesetzt hätten. Es ist Ihnen aber nichts      
  34 daran gelegen, mich zu verstehen, oder nicht zu verstehen; wenn Sie      
  35 mich nur so ungefehr erklären können, daß Sie dabey nicht zu Schanden      
  36 werden, noch ich nicht alle gute Meynung verliere. Das heist nicht      
  37 philosophisch, nicht aufrichtig, nicht freundschaftlich gehandelt.      
           
           
     

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