Kant: AA IX, Immanuel Kant über ... , Seite 489

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Die Würde der Menschheit aber verleugnen wir, wenn wir z. E. uns      
  02 dem Trunke ergeben, unnatürliche Sünden begehen, alle Arten von Unmäßigkeit      
  03 ausüben usw., welches Alles den Menschen weit unter die      
  04 Thiere erniedrigt. Ferner wenn ein Mensch sich kriechend gegen Andere      
  05 beträgt, immer Complimente macht, um sich durch ein so unwürdiges Benehmen,      
  06 wie er wähnt, einzuschmeicheln, so ist auch dieses wider die Würde      
  07 der Menschheit.      
           
  08 Die Würde des Menschen würde sich auch dem Kinde schon an ihm      
  09 selbst bemerkbar machen lassen, z. E. im Falle der Unreinlichkeit, die      
  10 wenigstens doch der Menschheit unanständig ist. Das Kind kann sich aber      
  11 wirklich auch unter die Würde der Menschheit durch die Lüge erniedrigen,      
  12 indem es doch schon zu denken und seine Gedanken Andern mitzutheilen      
  13 vermag. Das Lügen macht den Menschen zum Gegenstande der allgemeinen      
  14 Verachtung und ist ein Mittel, ihm bei sich selbst die Achtung und Glaubwürdigkeit      
  15 zu rauben, die jeder für sich haben sollte.      
           
  16 b) die Pflichten gegen Andere. Die Ehrfurcht und Achtung für das      
  17 Recht der Menschen muß dem Kinde schon sehr frühe beigebracht werden,      
  18 und man muß sehr darauf sehen, daß es dieselben in Ausübung bringe;      
  19 z. E. wenn ein Kind einem andern, ärmeren Kinde begegnet und es dieses      
  20 stolz aus dem Wege oder von sich stößt, ihm einen Schlag giebt usw.,      
  21 so muß man nicht sagen: Thue das nicht, es thut dem Andern wehe; sei      
  22 doch mitleidig! es ist ja ein armes Kind usw., sondern man muß ihm      
  23 selbst wieder eben so stolz und fühlbar begegnen, weil sein Benehmen dem      
  24 Rechte der Menschheit zuwider war. Großmuth aber haben die Kinder      
  25 eigentlich noch gar nicht. Das kann man z. E. daraus ersehen, daß, wenn      
  26 Eltern ihrem Kinde befehlen, es solle von seinem Butterbrode einem andern      
  27 die Hälfte abgeben, ohne daß es aber deshalb nachher um so mehr wieder      
  28 von ihnen erhält: so thut es dieses entweder gar nicht, oder doch sehr selten      
  29 und ungerne. Auch kann man ja dem Kinde ohnedem nicht viel von      
  30 Großmuth vorsagen, weil es noch nichts in seiner Gewalt hat.      
           
  31 Viele haben den Abschnitt der Moral, der die Lehre von den Pflichten      
  32 gegen sich selbst enthält, ganz übersehen oder falsch erklärt, wie Crugott.      
  33 Die Pflicht gegen sich selbst aber besteht, wie gesagt, darin, daß der Mensch      
  34 die Würde der Menschheit in seiner eignen Person bewahre. Er tadelt      
  35 sich, wenn er die Idee der Menschheit vor Augen hat. Er hat ein Original      
  36 in seiner Idee, mit dem er sich vergleicht. Wenn die Zahl der Jahre anwächst,      
  37 wenn die Neigung zum Geschlechte sich zu regen beginnt, dann ist      
           
     

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