Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 297 |
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01 | dem festen Lande. Ja seit vierzig Jahren hat sich das Meer eine | ||||||
02 | halbe Meile weit von der Stadt Rosette zurückgezogen. Nun kann | ||||||
03 | man deutlich sehen, daß alles Land von Unterägypten ein Geschöpf | ||||||
04 | des Nils sei. | ||||||
05 | Eben dieses ist am Mississippi und Amazonenstrom, am | ||||||
06 | Ganges und so weiter zu merken. Dadurch wird das feste Land | ||||||
07 | immer niedriger, und das Regenwasser, nachdem das feste Land seinen | ||||||
08 | Abhang verliert, wird nicht mehr so viel den Flüssen zuführen, | ||||||
09 | sondern versiegt in der Erde und trocknet in Pfützen aus. | ||||||
10 | Die Flüsse füllen ihre Mündung oft mit Schlamm und verlieren | ||||||
11 | dadurch ihre Schiffbarkeit, so daß neue Inseln und Bänke in der Mündung | ||||||
12 | großer Flüsse angesetzt werden. | ||||||
13 | 3. Durch das Meer. Dieses zieht sich an den meisten Ländern von | ||||||
14 | den Küsten nach und nach zurück. Es arbeitet zwar an einigen | ||||||
15 | Küsten etwas ein, aber an andern und den meisten Örtern setzt es | ||||||
16 | dagegen wieder etwas an. Im östlichen Theile von Gothland gewinnt | ||||||
17 | das Land jährlich zwei bis drei Klafter. In Nordbothnien bemerkt | ||||||
18 | Celsius, daß die See in zehn Jahren 4 1/2 Zoll niedriger | ||||||
19 | werde. Daher viele ehemals gute Häfen anjetzt nur kleine Schiffe | ||||||
20 | einnehmen können. Die Dünen in Holland und England, ingleichen | ||||||
21 | die preußischen Nehrungen sind ohne Zweifel vom Meer aufgeworfene | ||||||
22 | Sandhügel, jetzt aber steigt das Meer niemals so hoch wie sie. | ||||||
23 | Man mag urtheilen, ob es genug sei, dieses daher zu erklären, da | ||||||
24 | die See ihren Schlamm, den die Flüsse hineinführen, am Ufer absetze, | ||||||
25 | oder ob das Innere der Erde sich seit vielen Jahrhunderten her | ||||||
26 | immer nach und nach fester setze; daher der Boden des Meeres immer | ||||||
27 | tiefer sinke, weil sein Bette vertieft wird und sich vom Ufer zieht. | ||||||
28 | Das Meer bemächtigt sich auch zuweilen des festen Landes. | ||||||
29 | Man urtheilt, daß viele Meerengen nach und nach durch die Bearbeitung | ||||||
30 | des Meeres, welches eine Landenge durchgebrochen hat, | ||||||
31 | entstanden; z. E. die Straße von Calais. Ceylon soll auch ehede | ||||||
32 | mit dem festen Lande zusammengehangen haben, wenn nicht die | ||||||
33 | Erdbeben auch hieran etwas Antheil nehmen; zum wenigsten lassen | ||||||
34 | sich die Raubthiere, die ehedeß in England waren, kaum anders begreifen, | ||||||
35 | als durch den Zusammenhang dieses Landes mit Frankreich. | ||||||
36 | Der Dollart, eine See in Friesland, ist durch den Einbruch des | ||||||
37 | Meeres entstanden. Der Südersee ist ehedeß größtentheils ein | ||||||
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