Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 294 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | In Sierra Leona und einigen andern Gegenden der Küste von | ||||||
02 | Guinea fällt der Regen in sehr großen Tropfen und erzeugt Wärme. | ||||||
03 | Die Neger laufen vor dem Regen als vor dem Feuer, und in einem Kleide, | ||||||
04 | mit Regen durchnäßt, schlafen, ist tödtlich, wie denn solche Kleider, wenn | ||||||
05 | sie naß weggelegt werden, in kurzem verfaulen. | ||||||
06 | In einigen Ländern regnet es gar nicht, in andern selten. Der niedrige | ||||||
07 | Theil von Peru, wo Lima liegt, ist ganz vom Regen frei; daher | ||||||
08 | man daselbst flache Dächer hat, darauf Asche gestreut ist, um den Thau | ||||||
09 | einzusaugen, weil ein beständiger Südwind daselbst weht, der ihnen das | ||||||
10 | ist, was bei uns ein Nordwind. In Oberägypten regnet es niemals. | ||||||
11 | In Quito hingegen regnet es alle Tage wenigstens eine halbe Stunde | ||||||
12 | lang. In dem obern Theile von Ägypten ist es einem Wunder ähnlich, | ||||||
13 | wenn es in sieben Jahren einmal regnet. In dem wüsten Arabien sind | ||||||
14 | die Regen gleichfalls selten. | ||||||
15 | §. 73. |
||||||
16 | Von dem Zusammenhange der Witterung mit den Klimaten |
||||||
17 | und Jahreszeiten. |
||||||
18 | Alle Länder, selbst kalte Erdstriche haben im Winter eine desto temperirtere | ||||||
19 | Luft oder Witterung, je näher sie am Meere liegen, welches in | ||||||
20 | seiner weiten Ausdehnung niemals gefriert und niemals so sehr als das | ||||||
21 | Land erhitzt wird. Daher am Nordkap im Winter nicht strengere Kälte | ||||||
22 | ist als im südlichen Theile von Lappland und an der Seeküste von | ||||||
23 | Norwegen viel weniger als im Inwendigen. | ||||||
24 | Die östlichen Länder eines großen Continents haben weit strengere | ||||||
25 | Winter als andere, die oftmals viel nördlicher liegen. So ist es in dem | ||||||
26 | Theile von China, der südlicher liegt als Neapolis, im Winter so kalt, | ||||||
27 | daß es ansehnlich friert. In Nordamerika sind in der Breite von | ||||||
28 | Frankreich so strenge Winter als im nördlichen Theile von Schweden. | ||||||
29 | Im südlichen Hemisphär ist es kälter als im nördlichen in gleicher | ||||||
30 | Breite. Es schwimmen daselbst, wenn es mitten im Sommer ist, wie | ||||||
31 | schon oben erinnert ist, in einer Polhöhe, die der von England gleich ist, | ||||||
32 | große Eisfelder, welche nie aufthauen. | ||||||
33 | Selbst in Europa war es in vielen Ländern vordem kälter als jetzt. | ||||||
34 | Die Tiber gefror im Winter zur Zeit des Kaisers August gewöhnlich, | ||||||
35 | jetzt aber niemals. Die Rhone gefror zu Julius Cäsars Zeiten in der | ||||||
36 | Art, daß man Lasten herüberführen konnte; jetzt aber ist dieses nicht erhört. | ||||||
[ Seite 293 ] [ Seite 295 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |