Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 279

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 haben; daher erhöhte es den Boden zu den Seiten so lange, bis die      
  02 Ufer hoch genug waren, alles Wasser zu fassen, und so bildete sich der      
  03 Strom sein Bette.      
           
  04 An den Gegenden, wo er steile Höhen herabstürzte oder mit reißender      
  05 Geschwindigkeit einen Boden herabfloß, arbeitete er diesen Boden so      
  06 lange aus und trug den abgerissenen Schlamm in die niedern Gegenden,      
  07 bis er durchgehends eine gemäßigte Geschwindigkeit bekam. Daher sieht man      
  08 in der Nähe des Ursprunges aller Flüsse sie zwischen hohen Ufern fließen.      
           
  09 Zuweilen sind die Ufer wie steile Wände, z. B. bei der Rhone,      
  10 wenn sie sich aus der Schweiz nach Frankreich wendet, und bei dem      
  11 Amazonenstrom nahe bei seinem Anfange. Daher sind auch die meisten      
  12 Flüsse fast an den mehrsten Örtern nicht unschiffbar, außer an einigen      
  13 Gegenden, wo der Boden felsicht ist, der sich nicht so leicht durch den Flu      
  14 ausarbeiten läßt.      
           
  15 Von den Veränderungen der Erde durch die Flüsse wird weiter hin      
  16 das Gehörige gesagt werden.      
           
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§. 60.
     
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Von den Wasserfällen und andern Bewegungen der Flüsse.
     
           
  19 Der Rhein hat unterschiedliche Wasserfälle. Der bei Schaffhausen      
  20 ist senkrecht 75 Fuß hoch. Der Velino in Italien fällt von einer      
  21 perpendiculären Höhe von 200 Fuß. Der höchste in der Welt ist der vom      
  22 Flusse Bogota in Südamerika, der senkrecht 1200 Fuß herabstürzt.      
  23 Allein der Fluß Niagara in Nordamerika ist dennoch der entsetzlichste,      
  24 weil dieser Fluß eine ungemeine Breite hat und senkrecht 150 Fuß herabstürzt.      
           
  26 Besondere Phänomene der Wasserfälle finden nur da Statt, wo der Flu      
  27 über einen felsichten Boden läuft, welches man auch an den Wasserfällen      
  28 des Nils sieht. Der Fluß Tunguska in der westlichen Tatarei fließt      
  29 auf einem schiefen, felsichten Wege von einer halben Meile mit einem solchen      
  30 Gebrause, das über fünf Meilen zu hören ist, fort. Der Tigris      
  31 und Niger haben gleichfalls dergleichen.      
           
  32 Von den Flüssen, die eine Zeit lang unter der Erde fortlaufen und      
  33 dann wieder hervorkommen, ist zu merken die Guadiana, die diese Eigenschaft,      
  34 wie man vorgiebt, hat, weil sie nur in tiefen Thälern fortläuft. Die      
  35 Greatha, ein Fluß in Yorkshire, läuft wirklich eine halbe Meile unter      
  36 der Erde fort.      
           
           
     

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