Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 245

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 theils von der Vorstellung der Leute, welche sie sich von der Gemüthsruhe      
  02 machen, welche, wie in allen Ländern, wo die Einwohner in      
  03 mehrerer Gleichheit leben, so auch vorzüglich mit in der Schweiz, die      
  04 Menschen beseelt, die sie denn auch nur da, und nirgend anders als      
  05 auf ihrem vaterländischen Boden antreffen zu können glauben. Ein      
  06 anderer Grund dieses Heimwehs besteht in dem größern Kraftaufwande,      
  07 den dergleichen Leute ihres Unterhalts wegen bei sich müssen      
  08 eintreten lassen. Dieses ist auch die Ursache von dem Heimweh der      
  09 Pommern und Westphäler. Es soll auch in keinem Lande der Selbstmord      
  10 so gewöhnlich sein als in der Schweiz, obwohl derselbe übrigens      
  11 mehr die Reichen anzuwandeln pflegt; die Schweizer dagegen sind      
  12 mehrentheils arm. Indessen will man bemerkt haben, daß die Selbstmörder      
  13 in der Schweiz hauptsächlich nur solche Leute sind, die bereits      
  14 in andern Ländern gewesen und an den Ergötzlichkeiten derselben Geschmack      
  15 gefunden haben, und die sich des Lebens eben deshalb berauben,      
  16 weil sie in ihrem Vaterlande jene Vergnügungen entbehren      
  17 müssen. Diese Veränderung in ihnen selbst ist auch Ursache davon,      
  18 daß sie alle einmüthig ihr Vaterland nicht so bei ihrer Rückkehr      
  19 wiedergefunden zu haben versichern, als sie es verließen. Sie halten      
  20 also die Veränderung ihres Subjects für eine Veränderung des Objects,      
  21 weil sie die des erstern nicht wahrzunehmen im Stande sind.      
           
  22 Das Heimweh der Schweizer ist eine Sehnsucht oder ein Bestreben      
  23 mit dem Bewußtsein der Unmöglichkeit. Es ist immer besser,      
  24 gar keine Hoffnung zu haben als eine ungewisse; denn in jenem Falle      
  25 hegt man weiter keine Sehnsucht, sondern bemüht sich seinem Gemüthe      
  26 die Situation eigenthümlich zu machen, in der man nichts      
  27 mehr zu hoffen hat. Eben daher ist aber nichts beschwerlicher als      
  28 Anstrengung der Kräfte mit dem Bewußtsein der Unmöglichkeit einer      
  29 Erreichung des Zweckes. Das Heimweh findet besonders statt, wo      
  30 es schlechte, von der Natur wenig bedachte Gegenden giebt; denn je      
  31 größer die Simplicität des Lebens ist, desto stärker ist der Affect des      
  32 Gemüthes und der Begierden. Die Unzufriedenheit nimmt mit den      
  33 letztern zu, besonders wenn man sich einer bessern Lebensart erinnert,      
  34 oder sieht, wie es an andern Örtern so um vieles besser ist. Die Familienanhänglichkeit      
  35 ist größer, je dürftiger die Familie ist und je      
  36 bedeutender die Entsagungen sind, die die Natur ihr aufgelegt hat.      
  37 Je mehr man dagegen mit eigenem Interesse belastet ist, welcher      
           
           
     

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