Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 205 |
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01 | Eben dieser seiner Eigenschaft wegen kann es auch größere beladene | ||||||
02 | Schiffe und größere Thiere tragen, die im süßen Wasser untersinken | ||||||
03 | würden. Man kann im Seewasser füglicher schwimmen als im Flußwasser, | ||||||
04 | wie denn der Admiral Brodrick, da er in dem letzten Kriege | ||||||
05 | zwischen den Spaniern und Engländern sein Schiff durch den Brand verlor, | ||||||
06 | eine ganze Stunde schwimmend ausdauern konnte. Er nahm seine | ||||||
07 | Papiere in den Mund, ein Matrose seine Kleider, und ward gerettet. | ||||||
08 | Das Baden im Salzwasser ist gesund, es ist aber die See nicht, wie | ||||||
09 | Einige meinen, ein Verwahrungsmittel gegen die Fäulniß, denn wie man | ||||||
10 | bei einer Überschwemmung des Meeres bei hoher Fluth auf der Insel | ||||||
11 | Sumatra bemerkt hat, so wurde das Seewasser, nachdem es 14 Tage auf | ||||||
12 | dem Lande war stehen geblieben, durch Mangel an Bewegung so übelriechend, | ||||||
13 | daß das Castell der Holländer zweimal ausstarb und sie es deshalb | ||||||
14 | endlich auch ganz verlassen mußten. | ||||||
15 | Weil das Salzwasser schwerer ist: so ist auch der Druck des Seewassers | ||||||
16 | sehr groß. Der Graf Marsigli, der mehr Naturforscher als | ||||||
17 | General war, hatte eine Bouteille 300 Faden tief in das Meer herabgelassen, | ||||||
18 | nachdem er vorher einen Ring in der Art daran befestigt hatte, | ||||||
19 | daß sie gerade heruntersinken konnte. Der Druck des Seewassers trieb | ||||||
20 | den Pfropfen, der ihre Öffnung verschloß, tief in dieselbe hinein, ja neben | ||||||
21 | demselben sogar und durch ihn auch eine kleine Quantität Wasser, welches | ||||||
22 | süß war, indem die Salztheilchen nicht mit durchzudringen vermögend gewesen | ||||||
23 | waren. Eine solche Wassersäule von 7000 Kubikfuß, wenn ein | ||||||
24 | Kubikschuh auch nur 4 Pfunde schwer ist, wäre eine gute Presse. | ||||||
25 | Noch ist zu merken, daß das Salz nicht zum Leben nothwendig ist, | ||||||
26 | da viele Völker, z. E. die Caraiben, ganz ohne dasselbe leben. | ||||||
27 | Anmerkung. Wie weit der Unterschied des salzigen Meerwassers in | ||||||
28 | Rücksicht seines Gewichtes gehen kann, ersieht man am einleuchtendsten namentlich | ||||||
29 | aus dem Wasser des Todten Meeres, dessen specifisches Gewicht gegen | ||||||
30 | gemeines Wasser sich wie 5 zu 4 verhält. Sonst ist dieses Verhältniß | ||||||
31 | zwischen gemeinem Meer= und Regenwasser, nach Musschenbroek, nur wie | ||||||
32 | 1030 zu 1000. Nach den Ufern zu ist das Meerwasser wieder leichter als | ||||||
33 | tiefer hinein wegen dort stärkerer Vermischung mit dem Wasser aus Flüssen | ||||||
34 | und Bächen. | ||||||
35 | §. 26. |
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36 | Bei der Frage: warum das Meerwasser nicht höher steige, da doch | ||||||
37 | täglich ein großer Zufluß aus den Strömen stattfindet, ist man auf die | ||||||
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