Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 196 |
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01 | hat, angezogen wird. Folglich wird auf eine solche Art der Körper durchsichtig; | ||||||
02 | doch muß eine Materie, insofern sie sichtbar sein soll, nicht ganz | ||||||
03 | durchsichtig sein, weil sonst alle Strahlen durch sie durchfallen und nicht | ||||||
04 | von ihr in das Auge zurück geworfen werden würden. Nun wird das | ||||||
05 | Salz am allerersten und in größerer Menge von dem Wasser aufgelöst, | ||||||
06 | folglich liegen die Partikelchen Salz im Wasser continuirlich hinter einander, | ||||||
07 | und auf solche Weise wird das Meerwasser durchsichtig. | ||||||
08 | Diese Durchsichtigkeit hat das Meerwasser nur alsdann, wenn es | ||||||
09 | gänzlich stille ist, denn zu manchen Zeiten ist es weit stiller und ruhiger | ||||||
10 | als das Wasser in den Flüssen und stehenden Seen. So bald sich aber | ||||||
11 | die Oberfläche nur ein wenig bewegt, wird es ganz dunkel, weil alsdann | ||||||
12 | die Lichtstrahlen nicht ungehindert fortzugehen im Stande sind. | ||||||
13 | Das Meerwasser ist klarer als das Flußwasser, denn dies führt nicht | ||||||
14 | allein vielen Schlamm mit sich, der sich nur schwer absetzen kann, sondern | ||||||
15 | auch der meistens starke Schaum auf der Oberfläche desselben macht, da | ||||||
16 | die Lichtstrahlen zurückprallen, wodurch es natürlich undurchsichtig werden | ||||||
17 | muß. Das süße Wasser enthält zudem viele Luft, die in Bläschen | ||||||
18 | vertheilt ist, und das ist es eben, was das süße Wasser undurchsichtig | ||||||
19 | macht. Das Salz aber treibt die Luft weg und setzt sich an die Stelle derselben, | ||||||
20 | auf welche Weise denn ein gewisser Zusammenhang entsteht. So | ||||||
21 | wie auch zerstoßenes Glas nicht durchsichtig ist, obgleich ein jeder einzelner | ||||||
22 | Theil desselben es ist. Dort nämlich verhindert die Luft dieses, sobald | ||||||
23 | man es aber durch Öl oder eine andere flüssige Materie wieder in einen | ||||||
24 | genauern Zusammenhang bringt, so wird es immer durchsichtiger. | ||||||
25 | Da nun das Salz das Wasser gewissermaßen zu einem Continuo | ||||||
26 | macht: so muß das Meerwasser auch am durchsichtigsten sein. Will aber | ||||||
27 | derjenige, der sich unter dem Wasser befindet, nach oben sehen, so braucht | ||||||
28 | er nur ein wenig Öl aus dem Munde zu lassen, das zur Oberfläche hinaufsteigt, | ||||||
29 | und ihm an derselben gleichsam ein Fenster eröffnet. Unter dem | ||||||
30 | Wasser sieht übrigens das Sonnenlicht dem Mondenlichte gleich. | ||||||
31 | Es giebt in der Mitte des Atlantischen Meeres zwischen Amerika und | ||||||
32 | Europa einen Strich von 200 bis 300 Meilen, der von einem mit weißlichten | ||||||
33 | Beeren versehenen Kraute ganz grün und einer Wiese ähnlich sieht, | ||||||
34 | dergestalt, daß ein etwas starker Wind dazu erfordert wird, wenn ein | ||||||
35 | Schiff ungehindert hindurch segeln soll. Die Spanier nennen dieses Kraut | ||||||
36 | Sargasso, Margasso , auch Meerpetersilie. Es befindet sich im Meere del | ||||||
37 | Nord bei den Capverdischen Inseln, wie auch bei der Küste von Californien. | ||||||
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