Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 160

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Linne, durch die letztere hingegen eine geographische Naturbeschreibung.      
           
  03 Sage ich z. B.: die Rinderart wird unter das Geschlecht der vierfüßigen      
  04 Thiere oder auch unter die Gattung dieser Thiere mit gespaltenen      
  05 Klauen gezählt: so ist dieses eine Eintheilung, die ich in meinem Kopfe      
  06 mache, also eine logische Eintheilung. Das Systema naturae ist gleichsam      
  07 eine Registratur des Ganzen, wo ich alle Dinge, ein jedes in seine      
  08 ihm eigenthümlich zukommende Classe setze, mögen sie sich gleich auf der      
  09 Erde in verschiedenen, weit von einander entlegenen Gegenden vorfinden.      
           
  10 Zufolge der physischen Eintheilung hingegen werden die Dinge gerade      
  11 nach den Stellen, die sie auf der Erde einnehmen, betrachtet. Das      
  12 System weist die Stelle in der Classeneintheilung an. Die geographische      
  13 Naturbeschreibung aber weist die Stellen nach, an denen jene Dinge auf      
  14 der Erde wirklich zu finden sind. So sind z. B. die Eidechse und das Krokodil      
  15 im Grunde ein und dasselbe Thier. Das Krokodil ist nur eine ungeheuer      
  16 große Eidechse. Aber die Örter sind verschieden, an denen sich diese      
  17 und jenes auf der Erde aufhalten. Das Krokodil lebt im Nil, die Eidechse      
  18 auf dem Lande, auch bei uns. Überhaupt betrachten wir hier den Schauplatz      
  19 der Natur, die Erde selbst und die Gegenden, wo die Dinge wirklich      
  20 angetroffen werden. Im System der Natur aber wird nicht nach dem      
  21 Geburtsorte, sondern nach ähnlichen Gestalten gefragt.      
           
  22 Indessen dürfte man die Systeme der Natur, die bisher verfaßt sind,      
  23 richtiger wohl Aggregate der Natur nennen, denn ein System setzt schon      
  24 die Idee des Ganzen voraus, aus der die Mannigfaltigkeit der Dinge      
  25 abgeleitet wird. Eigentlich haben wir noch gar kein Systema naturae . In      
  26 den vorhandenen sogenannten Systemen der Art sind die Dinge bloß zusammengestellt      
  27 und an einander geordnet.      
           
  28 Wir können aber beides, Geschichte und Geographie, auch gleichmäßig      
  29 eine Beschreibung nennen, doch mit dem Unterschiede, daß erstere eine      
  30 Beschreibung der Zeit, letztere eine Beschreibung dem Raume nach ist.      
           
  31 Geschichte also und Geographie erweitern unsere Erkenntnisse in Ansehung      
  32 der Zeit und des Raumes. Die Geschichte betrifft die Begebenheiten,      
  33 die, in Ansehung der Zeit, sich nacheinander zugetragen haben.      
  34 Die Geographie betrifft Erscheinungen, die sich, in Ansehung des Raums,      
  35 zu gleicher Zeit ereignen. Nach den verschiedenen Gegenständen, mit      
  36 denen sich die letztere beschäftigt, erhält sie verschiedene Namen. Demzufolge      
  37 heißt sie bald die physische, die mathematische, die politische,      
           
     

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