Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 086 |
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01 | an. Hier ist nun schon zu errathen, daß die angenommene Hypothese | ||||||
02 | der ächte Grund nicht sein könne. Dagegen ist das Copernikanische | ||||||
03 | System eine Hypothese, aus der sich Alles, was daraus erklärt werden | ||||||
04 | soll, soweit es uns bis jetzt vorgekommen ist, erklären läßt. | ||||||
05 | Wir brauchen hier keine Hülfshypothesen ( hypotheses subsidiarias ). | ||||||
06 | Es giebt Wissenschaften, die keine Hypothesen erlauben, wie z. B. die | ||||||
07 | Mathematik und Metaphysik. Aber in der Naturlehre sind sie nützlich | ||||||
08 | und unentbehrlich. | ||||||
09 | Anhang. |
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10 | Von dem Unterschiede des theoretischen und des praktischen |
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11 | Erkenntnisses. |
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12 | Ein Erkenntniß wird praktisch genannt im Gegensatze des theoretischen, | ||||||
13 | aber auch im Gegensatze des speculativen Erkenntnisses. | ||||||
14 | Praktische Erkenntnisse sind nämlich entweder: | ||||||
15 | 1) Imperative und in so fern den theoretischen Erkenntnissen entgegengesetzt; | ||||||
16 | oder sie enthalten | ||||||
17 | 2) die Gründe zu möglichen Imperativen und werden in so fern | ||||||
18 | den speculativen Erkenntnissen entgegengesetzt. | ||||||
19 | Unter Imperativ überhaupt ist jeder Satz zu verstehen, der eine | ||||||
20 | mögliche freie Handlung aussagt, wodurch ein gewisser Zweck wirklich gemacht | ||||||
21 | werden soll. Eine jede Erkenntniß also, die Imperative enthält, | ||||||
22 | ist praktisch, und zwar im Gegensatze des theoretischen Erkenntnisses | ||||||
23 | praktisch zu nennen. Denn theoretische Erkenntnisse sind solche, die da | ||||||
24 | aussagen: nicht, was sein soll, sondern was ist, also kein Handeln, sondern | ||||||
25 | ein Sein zu ihrem Object haben. | ||||||
26 | Setzen wir dagegen praktische Erkenntnisse den speculativen entgegen: | ||||||
27 | so können sie auch theoretisch sein, wofern aus ihnen nur | ||||||
28 | Imperative können abgeleitet werden. Sie sind alsdann, in | ||||||
29 | dieser Rücksicht betrachtet, dem Gehalte nach ( in potentia ) oder objectiv | ||||||
30 | praktisch. Unter speculativen Erkenntnissen nämlich verstehen wir | ||||||
31 | solche, aus denen keine Regeln des Verhaltens können hergeleitet werden, | ||||||
32 | oder die keine Gründe zu möglichen Imperativen enthalten. Solcher bloß | ||||||
33 | speculativen Sätze giebt es z. B. in der Theologie die Menge. Dergleichen | ||||||
34 | speculative Erkenntnisse sind also immer theoretisch, aber nicht umgekehrt | ||||||
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