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Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 067 |
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Text (Kant): |
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01 |
fangen wir größtenteils bei allem unserm Erkennen an. Zuweilen haben |
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wir ein dunkles Vorgefühl von der Wahrheit, eine Sache scheint uns |
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Merkmale der Wahrheit zu enthalten; wir ahnen ihre Wahrheit schon, |
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noch ehe wir sie mit bestimmter Gewißheit erkennen. |
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Wo findet nun aber das bloße Meinen eigentlich statt? In keinen |
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Wissenschaften, welche Erkenntnisse a priori enthalten, also weder in der |
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Mathematik, noch in der Metaphysik, noch in der Moral, sondern lediglich |
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in empirischen Erkenntnissen: in der Physik, der Psychologie u. dgl. |
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Denn es ist an sich ungereimt, a priori zu meinen. Auch könnte in der |
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That nichts lächerlicher sein, als z. B. in der Mathematik nur zu meinen. |
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hier, so wie in der Metaphysik und Moral, gilt es: entweder zu wissen |
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oder nicht zu wissen. Meinungssachen können daher immer |
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nur Gegenstände einer Erfahrungserkenntniß sein, die an sich zwar möglich, |
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aber nur für uns unmöglich ist nach den empirischen Einschränkungen |
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und Bedingungen unsers Erfahrungsvermögens und dem davon abhängenden |
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Grade dieses Vermögens, den wir besitzen. So ist z. B. der |
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Äther der neuern Physiker eine bloße Meinungssache. Denn von dieser, |
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so wie von jeder Meinung überhaupt, welche sie auch immer sein möge, |
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sehe ich ein: daß das Gegentheil doch vielleicht könnte bewiesen werden. |
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Mein Fürwahrhalten ist also hier objectiv sowohl als subjectiv unzureichend, |
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obgleich es an sich betrachtet, vollständig werden kann. |
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2) Glauben. Das Glauben oder das Fürwahrhalten aus einem |
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Grunde, der zwar objectiv unzureichend, aber subjectiv zureichend ist, bezieht |
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sich auf Gegenstände, in Ansehung deren man nicht allein nichts |
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wissen, sondern auch nichts meinen, ja auch nicht einmal Wahrscheinlichkeit |
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vorwenden, sondern bloß gewiß sein kann, daß es nicht widersprechend |
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ist, sich dergleichen Gegenstände so zu denken, wie man sie sich denkt. Das |
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Übrige hierbei ist ein freies Fürwahrhalten, welches nur in praktischer, |
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a priori gegebener Absicht nöthig ist, also ein Fürwahrhalten dessen, was |
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ich aus moralischen Gründen annehme und zwar so, daß ich gewiß bin, |
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das Gegentheil könne nie bewiesen werden.*) |
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*) Das Glauben ist kein besonderer Erkenntnißquell. Es ist eine Art des mit Bewußtsein unvollständigen Fürwahrhaltens und unterscheidet sich, wenn es, als auf besondre Art Objecte (die nur für's Glauben gehören) restringirt, betrachtet wird, vom Meinen nicht durch den Grad, sondern durch das Verhältniß, was es als Erkenntniß zum Handeln hat. So bedarf z. B. der Kaufmann, um einen Handel einzuschlagen, daß er nicht bloß meine, es werde dabei was zu gewinnen sein, sondern [Seitenumbruch] daß er's Glaube, d. i. daß seine Meinung zur Unternehmung auf's Ungewisse zureichend sei. Nun haben wir theoretische Erkenntnisse (vom Sinnlichen), darin wir es zur Gewißheit bringen können und in Ansehung alles dessen, was wir menschliches Erkenntniß nennen können, muß das Letztere möglich sein. Eben solche gewisse Erkenntnisse und zwar gänzlich a priori haben wir in praktischen Gesetzen, allein diese gründen sich auf ein übersinnliches Princip (der Freiheit) und zwar in uns selbst, als ein Princip der praktischen Vernunft. Aber diese praktische Vernunft ist eine Causalität in Ansehung eines gleichfalls übersinnlichen Objects, des höchsten Guts, welches in der Sinnenwelt durch unser Vermögen nicht möglich ist. Gleichwohl muß die Natur als Object unsrer theoretischen Vernunft dazu zusammenstimmen, denn es soll in der Sinnenwelt die Folge oder Wirkung von dieser Idee angetroffen werden. Wir sollen also handeln, um diesen Zweck wirklich zu machen. Wir finden in der Sinnenwelt auch Spuren einer Kunstweisheit, und nun glauben wir: die Weltursache wirke auch mit moralischer Weisheit zum höchsten Gut. Dieses ist ein Fürwahrhalten, welches genug ist zum Handeln, d. i. ein Glaube. Nun bedürfen wir diesen nicht zum Handeln nach moralischen Gesetzen, denn die werden durch praktische Vernunft allein gegeben, aber wir bedürfen der Annahme einer höchsten Weisheit zum Object unsers moralischen Willens, worauf wir außer der bloßen Rechtmäßigkeit unsrer Handlungen nicht umhin können, unsre Zwecke zu richten. Obgleich dieses objectiv keine nothwendige Beziehung unsrer Willkür wäre: so ist das höchste Gut doch subjectiv nothwendig das Object eines guten (selbst menschlichen) Willens, und der Glaube an die Erreichbarkeit desselben wird dazu nothwendig vorausgesetzt. Zwischen der Erwerbung einer Erkenntniß durch Erfahrung (a posteriori) und durch die Vernunft (a priori) giebt es kein Mittleres. Aber zwischen der Erkenntniß eines Objects und der bloßen Voraussetzung der Möglichkeit desselben giebt es ein Mittleres, nämlich einen empirischen oder einen Vernunftgrund die letztere anzunehmen in Beziehung auf eine nothwendige Erweiterung des Feldes möglicher Objecte über diejenige, deren Erkenntniß uns möglich ist. Diese Nothwendigkeit findet nur in Ansehung dessen statt, da das Object als praktisch und durch Vernunft praktisch nothwendig erkannt wird, denn zum Behuf der bloßen Erweiterung der theoretischen Erkenntniß etwas anzunehmen, ist jederzeit zufällig. Diese praktisch nothwendige Voraussetzung eines Objects ist die der Möglichkeit des höchsten Guts als Objects der Willkür, mithin auch der Bedingung dieser Möglichkeit (Gott, Freiheit und Unsterblichkeit). Dieses ist eine subjective Nothwendigkeit, die Realität des Objects um der nothwendigen Willensbestimmung halber anzunehmen. Dies ist der casus extraordinarius , ohne welchen die praktische Vernunft sich nicht in Ansehung ihres nothwendigen Zwecks erhalten kann, und es kommt ihr hier favor necessitatis zu statten in ihrem eigenen Urtheil. Sie kann kein Object logisch erwerben, sondern sich nur [Seitenumbruch] allein dem widersetzen, was sie im Gebrauch dieser Idee, die ihr praktisch angehört, hindert. Dieser Glaube ist die Nothwendigkeit, die objective Realität eines Begriffs (vom höchsten Gut) d. i. die Möglichkeit seines Gegenstandes, als a priori nothwendigen Objects der Willkür anzunehmen. Wenn wir bloß auf Handlungen sehen, so haben wir diesen Glauben nicht nöthig. Wollen wir aber durch Handlungen uns zum Besitz des dadurch möglichen Zwecks erweitern: so müssen wir annehmen, da dieser durchaus möglich sei. Ich kann also nur sagen: Ich sehe mich durch meinen Zweck nach Gesetzen der Freiheit genöthigt, ein höchstes Gut in der Welt als möglich anzunehmen, aber ich kann keinen Andern durch Gründe nöthigen (der Glaube ist frei). Der Vernunftglaube kann also nie auf's theoretische Erkenntniß gehen, denn da ist das objectiv unzureichende Fürwahrhalten bloß Meinung. Er ist bloß eine Voraussetzung der Vernunft in subjectiver, aber absolutnothwendiger praktischer Absicht. Die Gesinnung nach moralischen Gesetzen führt auf ein Object der durch reine Vernunft bestimmbaren Willkür. Das Annehmen der Thunlichkeit dieses Objects und also auch die Wirklichkeit der Ursache dazu ist ein moralischer Glaube oder ein freies und in moralischer Absicht der Vollendung seiner Zwecke nothwendiges Fürwahrhalten. Fides ist eigentlich Treue im pacto oder subjectives Zutrauen zu einander, da einer dem Andern sein Versprechen halten werde, Treue und Glauben. Das erste, wenn das pactum gemacht ist, das zweite, wenn man es schließen soll. Nach der Analogie ist die praktische Vernunft gleichsam der Promittent, der Mensch der Promissarius, das erwartete Gute aus der That das Promissum. |
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