Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 065 |
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01 | Der dritte: etwas kennen ( noscere ) oder sich etwas in der Vergleichung | ||||||
02 | mit andern Dingen vorstellen sowohl der Einerleiheit als der | ||||||
03 | Verschiedenheit nach; | ||||||
04 | Der vierte: mit Bewußtsein etwas kennen, d. h. erkennen ( cognoscere ). | ||||||
05 | Die Thiere kennen auch Gegenstände, aber sie erkennen sie | ||||||
06 | nicht. | ||||||
07 | Der fünfte: etwas verstehen ( intelligere ), d. h. durch den Verstand | ||||||
08 | vermöge der Begriffe erkennen oder concipiren. Dieses ist | ||||||
09 | vom Begreifen sehr unterschieden. Concipiren kann man Vieles, obgleich | ||||||
10 | man es nicht begreifen kann. z. B. ein perpetuum mobile , dessen Unmöglichkeit | ||||||
11 | in der Mechanik gezeigt wird. | ||||||
12 | Der sechste: etwas durch die Vernunft erkennen oder einsehen | ||||||
13 | ( perspicere ). Bis dahin gelangen wir in wenigen Dingen und unsre Erkenntnisse | ||||||
14 | werden der Zahl nach immer geringer, je mehr wir sie dem Gehalte | ||||||
15 | nach vervollkommnen wollen. | ||||||
16 | Der siebente endlich: etwas begreifen ( comprehendere ), d. h. in | ||||||
17 | dem Grade durch die Vernunft oder a priori erkennen, als zu unsrer Absicht | ||||||
18 | hinreichend ist. Denn alles unser Begreifen ist nur relativ, d. h. | ||||||
19 | zu einer gewissen Absicht hinreichend, schlechthin begreifen wir gar nichts. | ||||||
20 | Nichts kann mehr begriffen werden, als was der Mathematiker demonstrirt, | ||||||
21 | z. B. daß alle Linien im Cirkel proportional sind. Und doch begreift er | ||||||
22 | nicht: wie es zugehe, daß eine so einfache Figur diese Eigenschaften habe. | ||||||
23 | Das Feld des Verstehens oder des Verstandes ist daher überhaupt weit | ||||||
24 | größer als das Feld des Begreifens oder der Vernunft. | ||||||
25 | IX |
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26 | D) Logische Vollkommenheit des Erkenntnisses der |
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27 | Modalität nach. |
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28 | Gewißheit. - Begriff des Fürwahrhaltens überhaupt. - |
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29 | Modi des Fürwahrhaltens: Meinen, Glauben, Wissen. - |
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30 | Überzeugung und Überredung. - Zurückhalten und Aufschieben |
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31 | eines Urtheils. - Vorläufige Urtheile. - Vorurtheile, |
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32 | deren Quellen und Hauptarten. |
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33 | Wahrheit ist objective Eigenschaft der Erkenntniß, das Urtheil, | ||||||
34 | wodurch etwas als wahr vorgestellt wird; die Beziehung auf einen | ||||||
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