Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 041

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Willens. Der praktische Horizont, sofern er bestimmt wird nach      
  02 dem Einflusse, den ein Erkenntniß auf unsre Sittlichkeit hat, ist pragmatisch      
  03 und von der größten Wichtigkeit.      
           
  04 Der Horizont betrifft also die Beurtheilung und Bestimmung dessen,      
  05 was der Mensch wissen kann, was er wissen darf, und was er wissen soll.      
           
  06 Was nun insbesondre den theoretisch oder logisch bestimmten Horizont      
  07 betrifft - und von diesem kann hier allein die Rede sein -, so können      
  08 wir denselben entweder aus dem objectiven oder aus dem subjectiven      
  09 Gesichtspunkte betrachten.      
           
  10 In Ansehung der Objecte ist der Horizont entweder historisch      
  11 oder rational. Der erstere ist viel weiter als der andre, ja er ist unermeßlich      
  12 groß, denn unsre historische Erkenntniß hat keine Grenzen. Der      
  13 rationale Horizont dagegen läßt sich fixiren, es läßt sich z. B. bestimmen,      
  14 auf welche Art von Objecten das mathematische Erkenntniß nicht ausgedehnt      
  15 werden könne. So auch in Absicht auf das philosophische Vernunfterkenntniß,      
  16 wie weit hier die Vernunft a priori ohne alle Erfahrung wohl      
  17 gehen könne?      
           
  18 In Beziehung aufs Subject ist der Horizont entweder der allgemeine      
  19 und absolute, oder ein besondrer und bedingter (Privathorizont).      
           
  21 Unter dem absoluten und allgemeinen Horizont ist die Congruenz der      
  22 Grenzen der menschlichen Erkenntnisse mit den Grenzen der gesammten      
  23 menschlichen Vollkommenheit überhaupt zu verstehen. Und hier ist also      
  24 die Frage: Was kann der Mensch als Mensch überhaupt wissen?      
           
  25 Die Bestimmung des Privat=Horizonts hängt ab von mancherlei      
  26 empirischen und speciellen Rücksichten, z. B. des Alters, des Geschlechts,      
  27 Standes, der Lebensart u. dgl. m. Jede besondre Klasse von Menschen hat      
  28 also in Beziehung auf ihre speciellen Erkenntnißkräfte, Zwecke und Standpunkte,      
  29 ihren besondern, jeder Kopf nach Maaßgabe der Individualität      
  30 seiner Kräfte und seines Standpunktes seinen eigenen Horizont. Endlich      
  31 können wir uns auch noch einen Horizont der gesunden Vernunft und      
  32 einen Horizont der Wissenschaft denken, welcher letztere noch Principien      
  33 bedarf, um nach denselben zu bestimmen, was wir wissen und      
  34 nicht wissen können.      
           
           
     

[ Seite 040 ] [ Seite 042 ] [ Inhaltsverzeichnis ]