Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 024 |
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Text (Kant):
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| 01 | ist sie es auch, die allein nur innern Werth hat, und allen andern | ||||||
| 02 | Erkenntnissen erst einen Werth giebt. | ||||||
| 03 | Man frägt doch immer am Ende, wozu dient das Philosophiren und | ||||||
| 04 | der Endzweck desselben die Philosophie selbst als Wissenschaft nach dem | ||||||
| 05 | Schulbegriffe betrachtet? | ||||||
| 06 | In dieser scholastischen Bedeutung des Worts geht Philosophie nur | ||||||
| 07 | auf Geschicklichkeit; in Beziehung auf den Weltbegriff dagegen auf die | ||||||
| 08 | Nützlichkeit. In der erstern Rücksicht ist sie also eine Lehre der Geschicklichkeit; | ||||||
| 09 | in der letztern, eine Lehre der Weisheit die Gesetzgeberin | ||||||
| 10 | der Vernunft und der Philosoph in so fern nicht Vernunftkünstler, | ||||||
| 11 | sondern Gesetzgeber. | ||||||
| 12 | Der Vernunftkünstler oder, wie Sokrates ihn nennt, der Philodox, | ||||||
| 13 | strebt bloß nach speculativem Wissen, ohne darauf zu sehen, wie viel | ||||||
| 14 | das Wissen zum letzten Zwecke der menschlichen Vernunft beitrage; er | ||||||
| 15 | giebt Regeln für den Gebrauch der Vernunft zu allerlei beliebigen Zwecken. | ||||||
| 16 | Der praktische Philosoph, der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, | ||||||
| 17 | ist der eigentliche Philosoph. Denn Philosophie ist die Idee einer | ||||||
| 18 | vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft | ||||||
| 19 | zeigt. | ||||||
| 20 | Zur Philosophie nach dem Schulbegriffe gehören zwei Stücke: | ||||||
| 21 | Erstlich ein zureichender Vorrath von Vernunfterkenntnissen, für's | ||||||
| 22 | Andre: ein systematischer Zusammenhang dieser Erkenntnisse oder eine | ||||||
| 23 | Verbindung derselben in der Idee eines Ganzen. | ||||||
| 24 | Einen solchen streng systematischen Zusammenhang verstattet nicht | ||||||
| 25 | nur die Philosophie, sondern sie ist sogar die einzige Wissenschaft, die im | ||||||
| 26 | eigentlichsten Verstande einen systematischen Zusammenhang hat und | ||||||
| 27 | allen andern Wissenschaften systematische Einheit giebt. | ||||||
| 28 | Was aber Philosophie nach dem Weltbegriffe ( in sensu cosmico ) betrifft: | ||||||
| 29 | so kann man sie auch eine Wissenschaft von der höchsten | ||||||
| 30 | Maxime des Gebrauchs unserer Vernunft nennen, sofern man | ||||||
| 31 | unter Maxime das innere Princip der Wahl unter verschiedenen Zwecken | ||||||
| 32 | versteht. | ||||||
| 33 | Denn Philosophie in der letztern Bedeutung ist ja die Wissenschaft | ||||||
| 34 | der Beziehung alles Erkenntnisses und Vernunftgebrauchs auf den Endzweck | ||||||
| 35 | der menschlichen Vernunft, dem, als dem obersten, alle andern Zwecke | ||||||
| 36 | subordinirt sind und sich in ihm zur Einheit vereinigen müssen. | ||||||
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