Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 022

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ehe wir indessen eine Definition von Philosophie zu geben versuchen,      
  02 müssen wir zuvor den Charakter der verschiedenen Erkenntnisse selbst untersuchen      
  03 und, da philosophische Erkenntnisse zu den Vernunfterkenntnissen      
  04 gehören, insbesondre erklären, was unter diesen letztern zu verstehen sei.      
           
  05 Vernunfterkenntnisse werden den historischen Erkenntnissen entgegengesetzt.      
  06 Jene sind Erkenntnisse aus Principien ( ex principiis );      
  07 diese Erkenntnisse aus Daten ( ex datis ). - Eine Erkenntniß kann aber      
  08 aus der Vernunft entstanden und demohngeachtet historisch sein; wie wenn      
  09 z. B. ein bloßer Literator die Producte fremder Vernunft lernt, so ist sein      
  10 Erkenntniß von dergleichen Vernunftproducten bloß historisch.      
  11 Man kann nämlich Erkenntnisse unterscheiden      
           
  12 1) nach ihrem objectiven Ursprunge, d. i. nach den Quellen, woraus      
  13 eine Erkenntniß allein möglich ist. In dieser Rücksicht sind alle      
  14 Erkenntnisse entweder rational oder empirisch;      
           
  15 2) nach ihrem subjectiven Ursprunge, d. i. nach der Art, wie eine      
  16 Erkenntniß von den Menschen kann erworben werden. Aus diesem letztern      
  17 Gesichtspunkte betrachtet, sind die Erkenntnisse entweder rational      
  18 oder historisch, sie mögen an sich entstanden sein, wie sie wollen. Es      
  19 kann also objectiv etwas ein Vernunfterkenntniß sein, was subjectiv      
  20 doch nur historisch ist.      
           
  21 Bei einigen rationalen Erkenntnissen ist es schädlich, sie bloß historisch      
  22 zu wissen, bei andern hingegen ist dieses gleichgültig. So weiß z. B.      
  23 der Schiffer die Regeln der Schiffahrt historisch aus seinen Tabellen; und      
  24 das ist für ihn genug. Wenn aber der Rechtsgelehrte die Rechtsgelehrsamkeit      
  25 bloß historisch weiß, so ist er zum ächten Richter und noch mehr      
  26 zum Gesetzgeber völlig verdorben.      
           
  27 Aus dem angegebenen Unterschiede zwischen objectiv und subjectiv      
  28 rationalen Erkenntnissen erhellt nun auch, daß man Philosophie in gewissem      
  29 Betracht lernen könne, ohne philosophiren zu können. Der also      
  30 eigentlich Philosoph werden will, muß sich üben, von seiner Vernunft      
  31 einen freien und keinen bloß nachahmenden und, so zu sagen, mechanischen      
  32 Gebrauch zu machen.      
           
  33 Wir haben die Vernunfterkenntnisse für Erkenntnisse aus Principien      
  34 erklärt und hieraus folgt: daß sie a priori sein müssen. Es giebt aber      
           
     

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