Kant: AA VIII, Anhang. ... , Seite 453 |
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01 | Jena, in der Crökerschen Buchh.: Eleutheriologie oder über Freiheit | ||||||
02 | und Nothwendigkeit, von Johann August Heinrich | ||||||
03 | Ulrich. Zum Gebrauch der Vorlesungen in den Michaelsferien. | ||||||
04 | 1788. 7 1'2 B. 8. (6 gr.) | ||||||
05 | Der Unterschied des Physischen und des Moralischen am Menschen, | ||||||
06 | in so fern er einerseits, als Unterthan der Natur, den unabänderlichen | ||||||
07 | Einfluß ihrer Ursachen fühlt und, nach ihren bestimmten Gesetzen alle | ||||||
08 | Handlungen vorher zu berechnen und hinterher zu erklären, durch seinen | ||||||
09 | Verstand selbst angewiesen ist, und andererseits, als Gebieter über die | ||||||
10 | Natur, sich eine von ihr unabhängige Selbstthätigkeit zutrauet und sich | ||||||
11 | eigene Gesetze giebt, nach welchen trotz allem fremden Einflusse die künftigen | ||||||
12 | Handlungen einzurichten, er für ein unerlaßliches Gebot erkennt | ||||||
13 | und die vergangenen laut Aussprüchen eines Richters in seinem Inneren | ||||||
14 | unerbittlich billigt oder verdammt: dieser Unterschied ist der gemeinsten | ||||||
15 | Vernunft geläufig; und freilich, sie müßte - welches sie weder kann noch | ||||||
16 | darf - sie müßte aufhören, das, was ist und geschieht, von dem, was sein | ||||||
17 | und geschehen soll, zu unterscheiden, wenn sie denselben verkennen, oder bezweifeln | ||||||
18 | wollte. Hingegen der Zusammenhang dieses Physischen und Moralischen | ||||||
19 | im Menschen, in so fern er eben dieselben Handlungen nicht nur | ||||||
20 | nach Verhältnissen der bestimmten Naturnothwendigkeit, sondern auch in | ||||||
21 | Beziehung auf eine unbedingte Selbstthätigkeit und zwar beides zusammen | ||||||
22 | gedenken soll, überschreitet alle Fassung seines Geistes, der, je nachdem er | ||||||
23 | es versucht, diese Handlungen entweder gemäß dem Bedürfnisse des Verstandes | ||||||
24 | als durch Natur bestimmt, oder gemäß dem Erfordernisse der Moralität | ||||||
25 | als durch Freiheit hervorgebracht anzunehmen, bald einsieht, da | ||||||
26 | er im ersteren Fall das Wesen der Sittlichkeit und im andern den Gebrauch | ||||||
27 | des Verstandes aufgeben müsse, und sonach, da keines von beiden | ||||||
28 | sich aufgeben läßt, gewahr wird, daß hier ein Geheimniß vor ihm liege. Was | ||||||
29 | bleibt nun in Absicht dieses Geheimnisses für das Nachdenken übrig? | ||||||
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