Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 383

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auch nicht das Recht hat, ihm zu befehlen), so darf er nicht sorgen, durch      
  02 die Bekanntwerdung seiner Maxime seine eigene Absicht zu vereiteln,      
  03 womit auch ganz wohl zusammenhängt, daß, wenn der Aufruhr dem Volk      
  04 gelänge, jenes Oberhaupt in die Stelle des Unterthans zurücktreten, eben      
  05 sowohl keinen Wiedererlangungsaufruhr beginnen, aber auch nicht zu      
  06 befürchten haben müßte, wegen seiner vormaligen Staatsführung zur      
  07 Rechenschaft gezogen zu werden.      
           
  08 2. Was das Völkerrecht betrifft. - Nur unter Voraussetzung      
  09 irgend eines rechtlichen Zustandes (d. i. derjenigen äußeren Bedingung,      
  10 unter der dem Menschen ein Recht wirklich zu Theil werden kann) kann      
  11 von einem Völkerrecht die Rede sein: weil es als ein öffentliches Recht die      
  12 Publication eines jedem das Seine bestimmenden allgemeinen Willens      
  13 schon in seinem Begriffe enthält, und dieser status iuridicus muß aus      
  14 irgend einem Vertrage hervorgehen, der nicht eben (gleich dem, woraus      
  15 ein Staat entspringt) auf Zwangsgesetze gegründet sein darf, sondern      
  16 allenfalls auch der einer fortwährend=freien Association sein kann, wie      
  17 der oben erwähnte der Föderalität verschiedener Staaten. Denn ohne      
  18 irgend einen rechtlichen Zustand, der die verschiedene (physische oder      
  19 moralische) Personen thätig verknüpft, mithin im Naturstande kann es      
  20 kein anderes als blos ein Privatrecht geben. - Hier tritt nun auch ein      
  21 Streit der Politik mit der Moral (diese als Rechtslehre betrachtet) ein,      
  22 wo dann jenes Kriterium der Publicität der Maximen gleichfalls seine      
  23 leichte Anwendung findet, doch nur so: daß der Vertrag die Staaten nur      
  24 in der Absicht verbindet, unter einander und zusammen gegen andere      
  25 Staaten sich im Frieden zu erhalten, keinesweges aber um Erwerbungen      
  26 zu machen. - Da treten nun folgende Fälle der Antinomie zwischen Politik      
  27 und Moral ein, womit zugleich die Lösung derselben verbunden wird.      
           
  28 a) "Wenn einer dieser Staaten dem andern etwas versprochen hat:      
  29 es sei Hülfleistung, oder Abtretung gewisser Länder, oder Subsidien u. d.      
  30 gl., frägt sich, ob er sich in einem Fall, an dem des Staats Heil hängt,      
  31 vom Worthalten dadurch los machen kann, daß er sich in einer doppelten      
  32 Person betrachtet wissen will, erstlich als Souverän, da er Niemanden      
  33 in seinem Staat verantwortlich ist; dann aber wiederum bloß als oberster      
  34 Staatsbeamte, der dem Staat Rechenschaft geben müsse: da denn der      
  35 Schluß dahin ausfällt, daß, wozu er sich in der ersteren Qualität verbindlich      
  36 gemacht hat, davon werde er in der zweiten losgesprochen." - Wenn      
  37 nun aber ein Staat (oder dessen Oberhaupt) diese seine Maxime laut werden      
           
     

[ Seite 382 ] [ Seite 384 ] [ Inhaltsverzeichnis ]