Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 356 |
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| 01 | eine erweiterte gesetzliche Verfassung zu bringen, entwachsen sind), indessen | ||||||
| 02 | daß doch die Vernunft vom Throne der höchsten moralisch gesetzgebenden | ||||||
| 03 | Gewalt herab den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den | ||||||
| 04 | Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht macht, welcher doch | ||||||
| 05 | ohne einen Vertrag der Völker unter sich nicht gestiftet oder gesichert | ||||||
| 06 | werden kann: - so muß es einen Bund von besonderer Art geben, den | ||||||
| 07 | man den Friedensbund ( foedus pacificum ) nennen kann, der vom | ||||||
| 08 | Friedensvertrag ( pactum pacis ) darin unterschieden sein würde, daß dieser | ||||||
| 09 | bloß einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. | ||||||
| 10 | Dieser Bund geht auf keinen Erwerb irgend einer Macht des Staats, | ||||||
| 11 | sondern lediglich auf Erhaltung und Sicherung der Freiheit eines | ||||||
| 12 | Staats für sich selbst und zugleich anderer verbündeten Staaten, ohne da | ||||||
| 13 | diese doch sich deshalb (wie Menschen im Naturzustande) öffentlichen | ||||||
| 14 | Gesetzen und einem Zwange unter denselben unterwerfen dürfen. - Die | ||||||
| 15 | Ausführbarkeit (objective Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich | ||||||
| 16 | allmählig über alle Staaten erstrecken soll und so zum ewigen Frieden | ||||||
| 17 | hinführt, läßt sich darstellen. Denn wenn das Glück es so fügt: daß ein | ||||||
| 18 | mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu einer Republik (die ihrer Natur | ||||||
| 19 | nach zum ewigen Frieden geneigt sein muß) bilden kann, so giebt diese | ||||||
| 20 | einen Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, | ||||||
| 21 | um sich an sie anzuschließen und so den Freiheitszustand der Staaten | ||||||
| 22 | gemäß der Idee des Völkerrechts zu sichern und sich durch mehrere Verbindungen | ||||||
| 23 | dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten. | ||||||
| 24 | Daß ein Volk sagt: "Es soll unter uns kein Krieg sein; denn wir | ||||||
| 25 | wollen uns in einen Staat formiren, d. i. uns selbst eine oberste gesetzgebende, | ||||||
| 26 | regierende und richtende Gewalt setzen, die unsere Streitigkeiten | ||||||
| 27 | friedlich ausgleicht" - das läßt sich verstehen. - - Wenn aber dieser | ||||||
| 28 | Staat sagt: "Es soll kein Krieg zwischen mir und andern Staaten sein, | ||||||
| 29 | obgleich ich keine oberste gesetzgebende Gewalt erkenne, die mir mein und | ||||||
| 30 | der ich ihr Recht sichere," so ist es gar nicht zu verstehen, worauf ich dann | ||||||
| 31 | das Vertrauen zu meinem Rechte gründen wolle, wenn es nicht das Surrogat | ||||||
| 32 | des bürgerlichen Gesellschaftbundes, nämlich der freie Föderalism, | ||||||
| 33 | ist, den die Vernunft mit dem Begriffe des Völkerrechts nothwendig verbinden | ||||||
| 34 | muß, wenn überall etwas dabei zu denken übrig bleiben soll. | ||||||
| 35 | Bei dem Begriffe des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, | ||||||
| 36 | läßt sich eigentlich gar nichts denken (weil es ein Recht sein soll, nicht nach | ||||||
| 37 | allgemein gültigen äußern, die Freiheit jedes Einzelnen einschränkenden | ||||||
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