Kant: AA VIII, Etwas über den ... , Seite 321 |
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| 01 | sich wieder in seine alte Stelle begiebt, oder (wenn er vornehmlich | ||||||
| 02 | den Compaß in der Richtung der täglichen Sonnenbewegung | ||||||
| 03 | ganz oder zum Theil durchgelaufen hat) eine Stelle einnimmt, | ||||||
| 04 | in welcher er den Monat hindurch herrschend bleibt. | ||||||
| 05 | 2) Vierteljährig, zur Zeit der Solstitien und Äquinoctien und des | ||||||
| 06 | auf sie zunächst folgenden Neulichts, wird diese Bestrebung noch | ||||||
| 07 | deutlicher wahrgenommen; und welcher Wind nach demselben die | ||||||
| 08 | ersten zwei bis drei Wochen die Oberhand hat, der pflegt auch das | ||||||
| 09 | ganze Quartal hindurch der herrschende zu sein. | ||||||
| 10 | Auf diese Regeln scheinen auch die Wettervorhersagungen im Kalender | ||||||
| 11 | seit einiger Zeit Rücksicht genommen zu haben. Denn wie der gemeine | ||||||
| 12 | Mann selbst bemerkt haben will, sie treffen jetzt doch besser ein, wie | ||||||
| 13 | vor diesem: vermuthlich weil die Verfasser desselben jetzt auch den Toaldo | ||||||
| 14 | hierbei zu Rathe ziehen mögen. So war es am Ende doch wohl gut, da | ||||||
| 15 | der Anschlag, Kalender ohne Aberglauben (eben so wenig wie der | ||||||
| 16 | rasche Entschluß eines Williams, öffentlichen Religionsvortrag ohne | ||||||
| 17 | Bibel) in Gang zu bringen, keinen Erfolg hatte. Denn nun wird der Verfasser | ||||||
| 18 | jenes Volksbuchs, um der Leichtgläubigkeit des Volks nicht bis zu | ||||||
| 19 | dessen gänzlichem Unglauben und daraus folgendem Verlust seines zum | ||||||
| 20 | häufigen Absatz nöthigen Credits zu mißbrauchen, genöthigt, den bisher | ||||||
| 21 | aufgefundenen obgleich noch nicht völlig gesicherten Regeln der Witterungen | ||||||
| 22 | nachzugehen, ihnen allmählich mehr Bestimmung zu verschaffen und sie | ||||||
| 23 | der Gewißheit einer Erfahrung wenigstens näher zu bringen: so daß das | ||||||
| 24 | vorher aus Aberglauben blindlings Angenommene endlich wohl in einen | ||||||
| 25 | nicht bloß vernünftigen, sondern selbst über die Gründe vernünftelnden | ||||||
| 26 | Glauben übergehen kann. - Daher mag den Zeichen: Gut pflanzen, | ||||||
| 27 | Gut Bauholz fällen, ihr Platz im Kalender noch immer bleiben, | ||||||
| 28 | weil, ob dem Monde, wie auf das Reich der organisirten Natur überhaupt, | ||||||
| 29 | so insbesondere aufs Pflanzenreich nicht wirklich ein merklicher Einfluß | ||||||
| 30 | zustehe, so ausgemacht noch nicht ist, und philosophische Garten= und Forstkundige | ||||||
| 31 | dadurch aufgefordert werden, auch diesem Bedürfniß des | ||||||
| 32 | Publicums wo möglich Genüge zu thun. Nur die Zeichen, die den gemeinen | ||||||
| 33 | Mann zur Pfuscherei an seiner Gesundheit verleiten können, | ||||||
| 34 | müßten ohne Verschonen weggelassen werden. | ||||||
| 35 | Hier ist nun zwischen der Theorie, die dem Monde ein Vermögen | ||||||
| 36 | abspricht, und der Erfahrung, die es ihm zuspricht, ein Widerstreit. | ||||||
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