Kant: AA VIII, Über den Gemeinspruch Das ... , Seite 311

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Friedens (wie es mit übergroßen Staaten wohl auch mehrmals gegangen      
  02 ist) auf einer andern Seite der Freiheit noch gefährlicher, indem er den      
  03 schrecklichsten Despotismus herbei führt, so muß sie diese Noth doch zu      
  04 einem Zustande zwingen, der zwar kein weltbürgerliches gemeines Wesen      
  05 unter einem Oberhaupt, aber doch ein rechtlicher Zustand der Föderation      
  06 nach einem gemeinschaftlich verabredeten Völkerrecht ist.      
           
  07 Denn da die fortrückende Cultur der Staaten mit dem zugleich      
  08 wachsenden Hange, sich auf Kosten der Andern durch List oder Gewalt zu      
  09 vergrößern, die Kriege vervielfältigen und durch immer (bei bleibender      
  10 Löhnung) vermehrte, auf stehendem Fuß und in Disciplin erhaltene, mit      
  11 stets zahlreicheren Kriegsinstrumenten versehene Heere immer höhere      
  12 Kosten verursachen muß; indeß die Preise aller Bedürfnisse fortdaurend      
  13 wachsen, ohne daß ein ihnen proportionirter fortschreitender Zuwachs der      
  14 sie vorstellenden Metalle gehofft werden kann; kein Frieden auch so lange      
  15 dauert, daß das Ersparniß während demselben dem Kostenaufwand für      
  16 den nächsten Krieg gleich käme, wowider die Erfindung der Staatsschulden      
  17 zwar ein sinnreiches, aber sich selbst zuletzt vernichtendes Hülfsmittel ist:      
  18 so muß, was guter Wille hätte thun sollen, aber nicht that, endlich die      
  19 Ohnmacht bewirken: daß ein jeder Staat in seinem Inneren so organisirt      
  20 werde, daß nicht das Staatsoberhaupt, dem der Krieg (weil er ihn auf      
  21 eines Andern, nämlich des Volks, Kosten führt) eigentlich nichts kostet,      
  22 sondern das Volk, dem er selbst kostet, die entscheidende Stimme habe, ob      
  23 Krieg sein solle oder nicht (wozu freilich die Realisirung jener Idee des      
  24 ursprünglichen Vertrags nothwendig vorausgesetzt werden muß). Denn      
  25 dieses wird es wohl bleiben lassen, aus bloßer Vergrößerungsbegierde,      
  26 oder um vermeinter, bloß wörtlicher Beleidigungen willen sich in Gefahr      
  27 persönlicher Dürftigkeit, die das Oberhaupt nicht trifft, zu versetzen. Und      
  28 so wird auch die Nachkommenschaft (auf die keine von ihr unverschuldete      
  29 Lasten gewälzt werden), ohne daß eben Liebe zu derselben, sondern nur      
  30 Selbstliebe jedes Zeitalters die Ursache davon sein darf, immer zum Besseren      
  31 selbst im moralischen Sinn fortschreiten können: indem jedes gemeine      
  32 Wesen, unvermögend einem anderen gewaltthätig zu schaden, sich      
  33 allein am Recht halten muß und, daß andere eben so geformte ihm darin      
  34 zu Hülfe kommen werden, mit Grunde hoffen kann.      
           
  35 Dieses ist indeß nur Meinung und bloß Hypothese: ungewiß wie alle      
  36 Urtheile, welche zu einer beabsichtigten Wirkung, die nicht gänzlich in      
  37 unsrer Gewalt steht, die ihr einzig angemessene Naturursache angeben      
           
     

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