Kant: AA VIII, Über den Gemeinspruch Das ... , Seite 281

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 nothwendig ist, dem moralischen System Halt und Festigkeit zu      
  02 geben"; und beschließt damit, die Summe der mir zugeschriebenen Behauptung      
  03 kurz und gut so zusammen zu fassen: "Der Tugendhafte strebt      
  04 jenen Principien zu Folge unaufhörlich darnach, der Glückseligkeit würdig,      
  05 aber, in so fern er wahrhaftig tugendhaft ist, nie darnach, glücklich zu      
  06 sein." (Das Wort in so fern macht hier eine Zweideutigkeit, die vorher      
  07 ausgeglichen werden muß. Es kann so viel bedeuten als: in dem Actus,      
  08 da er sich als Tugendhafter seiner Pflicht unterwirft; und da stimmt dieser      
  09 Satz mit meiner Theorie vollkommen zusammen. Oder: wenn er überhaupt      
  10 nur tugendhaft ist und also selbst da, wo es nicht auf Pflicht ankommt und      
  11 ihr nicht widerstritten wird, solle der Tugendhafte auf Glückseligkeit doch      
  12 gar keine Rücksicht nehmen; und da widerspricht das meinen Behauptungen      
  13 gänzlich.)      
           
  14 Diese Einwürfe sind also nichts als Mißverständnisse (denn für Mißdeutungen      
  15 mag ich sie nicht halten), deren Möglichkeit befremden müßte,      
  16 wenn nicht der menschliche Hang seinem einmal gewohnten Gedankengange      
  17 auch in der Beurtheilung fremder Gedanken zu folgen und so jenen in      
  18 diese hinein zu tragen ein solches Phänomen hinreichend erklärte.      
           
  19 Auf diese polemische Behandlung des obigen moralischen Princips      
  20 folgt nun eine dogmatische Behauptung des Gegentheils. Hr. G. schließt      
  21 nämlich analytisch so: "In der Ordnung der Begriffe muß das Wahrnehmen      
  22 und Unterscheiden der Zustände, wodurch einem vor dem andern      
  23 der Vorzug gegeben wird, vor der Wahl eines unter denselben und also      
  24 vor der Vorausbestimmung eines gewissen Zwecks vorher gehen. Ein      
  25 Zustand aber, den ein mit dem Bewußtsein seiner selbst und seines Zustandes      
  26 begabtes Wesen dann, wenn dieser Zustand gegenwärtig ist und      
  27 von ihm wahrgenommen wird, anderen Arten zu sein vorzieht, ist ein      
  28 guter Zustand; und eine Reihe solcher guten Zustände ist der allgemeinste      
  29 Begriff, den das Wort Glückseligkeit ausdrückt." - Ferner: "Ein      
  30 Gesetz setzt Motive, Motive aber setzen einen vorher wahrgenommenen      
  31 Unterschied eines schlechteren Zustandes von einem besseren voraus. Dieser      
  32 wahrgenommene Unterschied ist das Element des Begriffs der Glückseligkeit      
  33 etc." Ferner: "Aus der Glückseligkeit im allgemeinsten Sinne      
  34 des Worts entspringen die Motive zu jedem Bestreben; also auch      
  35 zur Befolgung des moralischen Gesetzes. Ich muß erst überhaupt wissen,      
  36 daß etwas gut ist, ehe ich fragen kann, ob die Erfüllung der moralischen      
  37 Pflichten unter die Rubrik des Guten gehöre; der Mensch muß eine      
           
     

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