Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 250 |
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01 | noch mehr, warum sie, als sonst völlig heterogene Erkenntnißquellen, zu | ||||||
02 | der Möglichkeit eines Erfahrungserkenntnisses überhaupt, hauptsächlich | ||||||
03 | aber (wie die Kritik der Urtheilskraft darauf aufmerksam machen | ||||||
04 | wird) zu der Möglichkeit einer Erfahrung von der Natur unter ihren | ||||||
05 | mannigfaltigen besonderen und blos empirischen Gesetzen, von denen | ||||||
06 | uns der Verstand a priori nichts lehrt, doch so gut immer zusammenstimmen, | ||||||
07 | als wenn die Natur für unsere Fassungskraft absichtlich eingerichtet | ||||||
08 | wäre; dieses konnten wir nicht (und das kann auch niemand) | ||||||
09 | weiter erklären. Leibniz nannte den Grund davon vornehmlich in Ansehung | ||||||
10 | des Erkenntnisses der Körper und unter diesen zuerst unseres | ||||||
11 | eigenen, als Mittelgrundes dieser Beziehung, eine vorherbestimmte | ||||||
12 | Harmonie, wodurch er augenscheinlich jene Übereinstimmung wohl nicht | ||||||
13 | erklärt hatte, auch nicht erklären wollte, sondern nur anzeigte, daß wir | ||||||
14 | dadurch eine gewisse Zweckmäßigkeit in der Anordnung der obersten Ursache | ||||||
15 | unserer selbst sowohl als aller Dinge außer uns zu denken hätten | ||||||
16 | und diese zwar schon als in die Schöpfung gelegt (vorher bestimmt), aber | ||||||
17 | nicht als Vorherbestimmung außer einander befindlicher Dinge, sondern | ||||||
18 | nur der Gemüthskräfte in uns, der Sinnlichkeit und des Verstandes, nach | ||||||
19 | jeder ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit für einander, so wie die Kritik | ||||||
20 | lehrt, daß sie zum Erkenntnisse der Dinge a priori im Gemüthe gegen | ||||||
21 | einander in Verhältniß stehen müssen. Daß dieses seine wahre, obgleich | ||||||
22 | nicht deutlich entwickelte, Meinung gewesen sei, läßt sich daraus abnehmen, | ||||||
23 | daß er jene vorherbestimmte Harmonie noch viel weiter als auf die Übereinstimmung | ||||||
24 | zwischen Seele und Körper, nämlich noch auf die zwischen | ||||||
25 | dem Reiche der Natur und dem Reiche der Gnaden (dem Reiche der | ||||||
26 | Zwecke in Beziehung auf den Endzweck, d. i. den Menschen unter moralischen | ||||||
27 | Gesetzen) ausdehnt, wo eine Harmonie zwischen den Folgen aus | ||||||
28 | unseren Naturbegriffen und denen aus dem Freiheitsbegriffe, mithin zweier | ||||||
29 | ganz verschiedener Vermögen unter ganz ungleichartigen Principien in | ||||||
30 | uns und nicht zweierlei verschiedene außer einander befindliche Dinge | ||||||
31 | in Harmonie gedacht werden sollen (wie es wirklich Moral erfordert), die | ||||||
32 | aber, wie die Kritik lehrt, schlechterdings nicht aus der Beschaffenheit der | ||||||
33 | Weltwesen, sondern, als eine für uns wenigstens zufällige Übereinstimmung, | ||||||
34 | nur durch eine intelligente Weltursache kann begriffen werden. | ||||||
35 | So möchte denn wohl die Kritik der reinen Vernunft die eigentliche | ||||||
36 | Apologie für Leibniz selbst wider seine ihn mit nicht ehrenden Lobsprüchen | ||||||
37 | erhebende Anhänger sein; wie sie es denn auch für verschiedene ältere | ||||||
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