Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 248 |
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01 | Gegnern darüber mit manchem Spotte angelassen worden. | ||||||
02 | Allein dieser Grundsatz war Ihm blos ein subjectives, nämlich blos auf | ||||||
03 | eine Kritik der Vernunft bezogenes, Princip. Denn was heißt das: über | ||||||
04 | den Satz des Widerspruchs müssen noch andere Grundsätze hinzukommen? | ||||||
05 | Es heißt so viel als: nach dem Satze des Widerspruchs kann nur das, was | ||||||
06 | schon in den Begriffen des Objects liegt, erkannt werden; soll nun noch | ||||||
07 | etwas mehr von diesem gesagt werden, so muß etwas über diesen Begriff | ||||||
08 | hinzukommen, und wie dieses hinzukommen könne, dazu muß noch ein | ||||||
09 | besonderes, vom Satze des Widerspruchs unterschiedenes Princip gesucht | ||||||
10 | werden, d. i. sie müssen ihren besonderen Grund haben. Da nun die | ||||||
11 | letztere Art Sätze (jetzt wenigstens) synthetisch heißen, so wollte Leibniz | ||||||
12 | nichts weiter sagen, als: es muß über den Satz des Widerspruchs (als das | ||||||
13 | Princip analytischer Urtheile) noch ein anderes Princip, nämlich das | ||||||
14 | der synthetischen Urtheile, hinzukommen. Dieses war allerdings eine neue | ||||||
15 | und bemerkenswürdige Hinweisung auf Untersuchungen, die in der Metaphysik | ||||||
16 | noch anzustellen wären (und die auch wirklich seit kurzem angestellt | ||||||
17 | worden). Wenn nun sein Anhänger diese Hinweisung auf ein besonderes | ||||||
18 | damals noch zu suchendes Princip für das (schon gefundene) Princip | ||||||
19 | (der synthetischen Erkenntniß) selbst ausgiebt, womit Leibniz eine neue | ||||||
20 | Entdeckung gemacht zu haben gemeint gewesen, setzt er ihn da nicht dem | ||||||
21 | Gespötte aus, indem er ihm eine Lobrede zu halten gedachte? | ||||||
22 | II Ist es wohl zu glauben, daß Leibniz, ein so großer Mathematiker! | ||||||
23 | die Körper aus Monaden (hiemit auch den Raum aus einfachen | ||||||
24 | Theilen) habe zusammensetzen wollen? Er meinte nicht die Körperwelt, | ||||||
25 | sondern ihr für uns unerkennbares Substrat, die intelligibele Welt, die | ||||||
26 | blos in der Idee der Vernunft liegt, und worin wir freilich alles, was | ||||||
27 | wir darin als zusammengesetzte Substanz denken, uns als aus einfachen | ||||||
28 | Substanzen bestehend vorstellen müssen. Auch scheint er mit Plato dem | ||||||
29 | menschlichen Geiste ein ursprüngliches, obzwar jetzt nur verdunkeltes, | ||||||
30 | intellectuelles Anschauen dieser übersinnlichen Wesen beizulegen, davon | ||||||
31 | er aber nichts auf die Sinnenwesen bezog, die er für auf eine besondere | ||||||
32 | Art Anschauung, deren wir allein zum Behuf für uns möglicher Erkenntnisse | ||||||
33 | fähig sind, bezogene Dinge, in der strengsten Bedeutung für bloße | ||||||
34 | Erscheinungen, (specifisch eigenthümliche) Formen der Anschauung gehalten | ||||||
35 | wissen will; wobei man sich durch seine Erklärung von der Sinnlichkeit als | ||||||
36 | einer verworrenen Vorstellungsart nicht stören lassen, sondern vielmehr | ||||||
37 | eine andere, seiner Absicht angemessenere an deren Stelle setzen muß: weil | ||||||
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