Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 239 |
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01 | sollte denken, er trage einen metaphysischen Satz vor, der etwas a priori | ||||||
02 | von Dingen bestimme, und er ist ein blos logischer, der nichts weiter sagt, | ||||||
03 | als: damit ein Urtheil ein Satz sei, muß es nicht blos als möglich (problematisch), | ||||||
04 | sondern zugleich als gegründet (ob analytisch oder synthetisch, | ||||||
05 | ist einerlei) vorgestellt werden. Der metaphysische Satz der Causalität | ||||||
06 | lag ihm ganz nahe; er hütete sich aber wohl ihn anzurühren (denn das | ||||||
07 | Beispiel, welches er von dem letzteren anführt, paßt nicht zur Allgemeinheit | ||||||
08 | jenes obersten vorgeblichen Grundsatzes aller synthetischen Urtheile). Die | ||||||
09 | Ursache war: er wollte eine logische Regel, die gänzlich analytisch ist und | ||||||
10 | von aller Beschaffenheit der Dinge abstrahirt, für ein Naturprincip, um | ||||||
11 | welches es der Metaphysik allein zu thun ist, durchschlüpfen lassen. | ||||||
12 | Herr Eberhard muß gefürchtet haben, daß der Leser dieses Blendwerk | ||||||
13 | endlich doch durchschauen möchte, und sagt daher zum Schlusse dieser | ||||||
14 | Nummer S. 331, daß "der Streit, ob ein Satz ein analytischer oder synthetischer | ||||||
15 | sei, in Rücksicht auf seine logische Wahrheit ein unerheblicher | ||||||
16 | Streit sei", um ihn dem Leser einmal für allemal aus den Augen zu | ||||||
17 | bringen. Aber vergeblich. Der bloße gesunde Menschenverstand muß | ||||||
18 | an der Frage festhalten, so bald sie ihm einmal klar vorgelegt worden. | ||||||
19 | Daß ich über einen gegebenen Begriff mein Erkenntniß erweitern könne, | ||||||
20 | lehrt mich die tägliche Vermehrung meiner Kenntnisse durch die sich immer | ||||||
21 | vergrößernde Erfahrung. Allein wenn gesagt wird: daß ich sie über die gegebenen | ||||||
22 | Begriffe hinaus auch ohne Erfahrung vermehren, d. i. a priori | ||||||
23 | synthetisch urtheilen könne, und man setzte hinzu, daß hiezu nothwendig | ||||||
24 | etwas mehr erfordert werde, als diese Begriffe zu haben, es gehöre noch | ||||||
25 | ein Grund dazu, um mehr, als ich in jenen schon denke, mit Wahrheit | ||||||
26 | hinzu zu thun: so würde ich ihn auslachen, wenn er mir sagte, dieser | ||||||
27 | Satz, ich müsse über meinen Begriff noch irgend einen Grund haben, um | ||||||
28 | mehr zu sagen, als in ihm liegt, sei derjenige Grundsatz selbst, welcher zu | ||||||
29 | jener Erweiterung schon hinreichend sei, indem ich mir nur vorstellen | ||||||
30 | dürfe, dieses Mehrere, was ich a priori als zum Begriffe eines Dinges | ||||||
31 | gehörig, doch aber nicht in ihm enthalten denke, sei ein Attribut. Denn | ||||||
32 | ich will wissen, was denn das für Grund sei, der mich außer dem, was | ||||||
33 | meinem Begriffe wesentlich eigen ist, und was ich schon wußte, mit mehrerem | ||||||
34 | und zwar nothwendig als Attribut zu einem Dinge gehörigen, | ||||||
35 | aber doch nicht im Begriffe desselben Enthaltenen bekannt macht. Nun | ||||||
36 | fand ich: daß die Erweiterung meiner Erkenntniß durch Erfahrung auf | ||||||
37 | der empirischen (Sinnen=) Anschauung beruhte, in welcher ich Vieles antraf, | ||||||
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