Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 236

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ist in beiden analytisch. Denn realiter, d. i. dem Dasein      
  02 nach, veränderlich ist das, dessen Bestimmungen in der Zeit einander      
  03 folgen können; mithin ist nur das veränderlich, was nicht anders als in      
  04 der Zeit existiren kann. Diese Bedingung aber ist nicht nothwendig mit      
  05 dem Begriffe eines endlichen Dinges überhaupt (welches nicht alle Realität      
  06 hat), sondern nur mit einem Dinge als Gegenstande der sinnlichen Anschauung      
  07 verbunden. Da nun Herr Eberhard seine Sätze a priori als      
  08 von dieser letzteren Bedingung unabhängig behaupten will, so ist sein      
  09 Satz, daß alles Endliche als ein solches (d. i. um seines bloßen Begriffs      
  10 willen, mithin auch als Noumenon) veränderlich sei, falsch. Also müßte      
  11 der Satz: Alles Endliche ist als ein solches veränderlich, nur von der Bestimmung      
  12 seines Begriffs, mithin logisch verstanden werden, da dann      
  13 unter "veränderlich" dasjenige gemeint wird, was durch seinen Begriff nicht      
  14 durchgängig bestimmt ist, mithin was auf mancherlei entgegengesetzte Art      
  15 bestimmt werden kann. Alsdann aber wäre der Satz, daß endliche Dinge,      
  16 d. i. alle außer dem allerrealsten, logisch (in Absicht auf den Begriff, den      
  17 man sich von ihnen machen kann) veränderlich sind, ein analytischer Satz;      
  18 denn es ist ganz identisch, zu sagen: ein endliches Ding denke ich mir      
  19 dadurch, daß es nicht alle Realität habe, und zu sagen: durch diesen      
  20 Begriff von ihm ist nicht bestimmt, welche oder wie viel Realität ich ihm      
  21 beilegen solle; d. i. ich kann ihm bald dieses, bald jenes beilegen und      
  22 dem Begriff von der Endlichkeit desselben unbeschadet die Bestimmung      
  23 desselben auf mancherlei Weise veränderen. Eben auf dieselbe Art,      
  24 nämlich logisch, ist das unendliche Wesen unveränderlich: weil, wenn      
  25 darunter dasjenige Wesen verstanden wird, was vermöge des Begriffs      
  26 von ihm nichts als Realität zum Prädicate haben kann, mithin durch      
  27 denselben schon durchgängig (wohl zu verstehen, in Ansehung der      
  28 Prädicate, von denen wir, ob sie wahrhaftig real sind oder nicht,      
  29 gewiß sind) bestimmt ist, seinem Begriffe unbeschadet an die Stelle      
  30 keines einzigen Prädicats desselben ein anderes gesetzt werden kann; aber      
  31 da erhellt auch zugleich: daß dieser Satz ein blos analytischer Satz sei, der      
  32 nämlich kein anderes Prädicat seinem Subjecte beilegt, als aus diesem      
  33 durch den Satz des Widerspruchs entwickelt werden kann*). Wenn man      
  34 *) Zu den Sätzen, die blos in die Logik gehören, aber sich durch die Zweideutigkeit      
           
    ihres Ausdrucks für in die Metaphysik gehörige einschleichen und so, ob sie gleich analytisch sind, für synthetisch gehalten werden, gehört auch der Satz: die Wesen der Dinge sind unveränderlich, d. i. man kann in dem, was wesentlich [Seitenumbruch] zu ihrem Begriffe gehört, nichts ändern, ohne diesen Begriff selber zugleich mit aufzuheben. Dieser Satz, welcher in Baumgartens Metaphysik § 132 und zwar im Hauptstücke von dem Veränderlichen und Unveränderlichen steht, wo (wie es auch Recht ist) Veränderung durch die Existenz der Bestimmungen eines Dinges nach einander (ihre Succession), mithin durch die Folge derselben in der Zeit erklärt wird, lautet so, als ob dadurch ein Gesetz der Natur, welches unsern Begriff von den Gegenständen der Sinne (vornehmlich da von der Existenz in der Zeit die Rede ist) erweiterte, vorgetragen würde. Daher auch Lehrlinge dadurch etwas Erhebliches gelernt zu haben glauben, und z. B. die Meinung einiger Mineralogen, als ob Kieselerde wohl nach und nach in Thonerde verwandelt werden könne, dadurch kurz und gut abfertigen, daß sie sagen: die Wesen der Dinge sind unveränderlich. Allein dieser metaphysische Sinnspruch ist ein armer identischer Satz, der mit dem Dasein der Dinge und ihren möglichen oder unmöglichen Veränderungen gar nichts zu thun hat, sondern gänzlich zur Logik gehört und etwas einschärft, was ohnedem keinem Menschen zu leugnen einfallen kann, nämlich daß, wenn ich den Begriff von einem und demselben Object behalten will, ich nichts an ihm abändern, d. i. das Gegentheil von demjenigen, was ich durch jenen denke, nicht von ihm prädiciren müsse.      
           
     

[ Seite 235 ] [ Seite 237 ] [ Inhaltsverzeichnis ]