Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 203 |
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01 | sinnlichen Anschauung beweiset, widersetzt), kann und muß man einräumen, | ||||||
02 | daß Raum und Zeit bloße Gedankendinge und Wesen der Einbildungskraft | ||||||
03 | sind, nicht welche durch die letztere gedichtet werden, sondern welche | ||||||
04 | sie allen ihren Zusammensetzungen und Dichtungen zum Grunde legen | ||||||
05 | muß, weil sie die wesentliche Form unserer Sinnlichkeit und der Receptivität | ||||||
06 | der Anschauungen sind, dadurch uns überhaupt Gegenstände gegeben | ||||||
07 | werden, und deren allgemeine Bedingungen nothwendig zugleich | ||||||
08 | Bedingungen a priori der Möglichkeit aller Objecte der Sinne als Erscheinungen | ||||||
09 | sein und mit diesen also übereinstimmen müssen. Das Einfache | ||||||
10 | also in der Zeitfolge wie im Raum ist schlechterdings unmöglich, | ||||||
11 | und wenn Leibniz zuweilen sich so ausgedrückt hat, daß man seine Lehre | ||||||
12 | von einfachen Wesen bisweilen so auslegen konnte, als ob er die Materie | ||||||
13 | daraus zusammengesetzt wissen wollte, so ist es billiger, ihn, so lange es | ||||||
14 | mit seinen Ausdrücken vereinbar ist, so zu verstehen, als ob er unter dem | ||||||
15 | Einfachen nicht einen Theil der Materie, sondern den ganz über alles | ||||||
16 | Sinnliche hinausliegenden uns völlig unerkennbaren Grund der Erscheinung, | ||||||
17 | die wir Materie nennen, meine (welcher allenfalls auch ein einfaches | ||||||
18 | Wesen sein mag, wenn die Materie, welche die Erscheinung ausmacht, | ||||||
19 | ein Zusammengesetztes ist), oder, läßt es sich damit nicht vereinigen, | ||||||
20 | man selbst von Leibnizens Ausspruche abgehen müsse. Denn er ist nicht der | ||||||
21 | erste, wird auch nicht der letzte große Mann sein, der sich diese Freiheit | ||||||
22 | anderer im Untersuchen gefallen lassen muß. | ||||||
23 | Die zweite Unrichtigkeit betrifft einen so offenbaren Widerspruch, | ||||||
24 | daß Herr Eberhard ihn nothwendig bemerkt haben muß, aber ihn so gut, | ||||||
25 | wie er konnte, verklebt und übertüncht hat, um ihn unmerklich zu machen: | ||||||
26 | nämlich daß das Ganze einer empirischen Anschauung innerhalb, die einfachen | ||||||
27 | Elemente derselben Anschauung aber völlig außerhalb der Sphäre | ||||||
28 | der Sinnlichkeit liegen. Er will nämlich nicht, daß man das Einfache als | ||||||
29 | Grund zu den Anschauungen im Raume un der Zeit hinzu vernünftele | ||||||
30 | (wodurch er sich der Kritik zu sehr genähert haben würde), sondern an den | ||||||
31 | Elementarvorstellungen der sinnlichen Anschauung selbst (obzwar ohne | ||||||
32 | klares Bewußtsein) antreffe, und verlangt, daß das Zusammengesetzte | ||||||
33 | aus denselben ein Sinnenwesen, die Theile desselben aber keine Gegenstände | ||||||
34 | der Sinne, sondern Verstandswesen sein sollen. "Den Elementen | ||||||
35 | der concreten Zeit (und so auch eines solchen Raumes) fehlt dieses Anschauende | ||||||
36 | nicht" sagt er S. 170; gleichwohl "können sie (S. 171) unter | ||||||
37 | keiner sinnlichen Form angeschauet werden." | ||||||
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