Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 160 |
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01 | sondern blos eine Beschäftigung mit unsern eignen Absichten und | ||||||
02 | Bedürfnissen zu sein scheint. | ||||||
03 | Es hält allemal schwer, sich in Principien zu einigen, in solchen | ||||||
04 | Fällen, wo die Vernunft ein doppeltes, sich wechselseitig einschränkendes | ||||||
05 | Interesse hat. Aber es ist sogar schwer sich über die Principien dieser | ||||||
06 | Art auch nur zu verstehen, weil sie die Methode zu denken vor der Bestimmung | ||||||
07 | des Objects betreffen, und einander widerstreitende Ansprüche | ||||||
08 | der Vernunft den Gesichtspunkt zweideutig machen, aus dem man seinen | ||||||
09 | Gegenstand zu betrachten hat. In der gegenwärtigen Zeitschrift sind zwei | ||||||
10 | meiner Versuche über zweierlei sehr verschiedene Gegenstände und von sehr | ||||||
11 | ungleicher Erheblichkeit einer scharfsinnigen Prüfung unterworfen worden. | ||||||
12 | In einer bin ich nicht verstanden worden, ob ich es zwar erwartete, | ||||||
13 | in der andern aber über alle Erwartung wohl verstanden worden; | ||||||
14 | beides von Männern von vorzüglichem Talente, jugendlicher Kraft und | ||||||
15 | aufblühendem Ruhme. In jener gerieth ich in Verdacht, als wollte ich | ||||||
16 | eine Frage der physischen Naturforschung durch Urkunden der Religion | ||||||
17 | beantworten: in der andern wurde ich von dem Verdachte befreiet, als | ||||||
18 | wollte ich durch den Beweis der Unzulänglichkeit einer metaphysischen | ||||||
19 | Naturforschung der Religion Abbruch thun. In beiden gründet sich die | ||||||
20 | Schwierigkeit verstanden zu werden auf der noch nicht genug ins Licht | ||||||
21 | gestellten Befugniß, sich, wo theoretische Erkenntnißquellen nicht zulangen, | ||||||
22 | des teleologischen Princips bedienen zu dürfen, doch mit einer solchen Beschränkung | ||||||
23 | seines Gebrauchs, daß der theoretisch=speculativen Nachforschung | ||||||
24 | das Recht des Vortritts gesichert wird, um zuerst ihr ganzes | ||||||
25 | Vermögen daran zu versuchen (wobei in der metaphysischen von der reinen | ||||||
26 | Vernunft mit Recht gefordert wird, daß sie dieses und überhaupt ihre | ||||||
27 | Anmaßung über irgend etwas zu entscheiden vorher rechtfertige, dabei | ||||||
28 | aber ihren Vermögenszustand vollständig aufdecke, um auf Zutrauen | ||||||
29 | rechnen zu dürfen), ingleichen daß im Fortgange diese Freiheit ihr jederzeit | ||||||
30 | unbenommen bleibe. Ein großer Theil der Mißhelligkeit beruht | ||||||
31 | hier auf der Besorgniß des Abbruchs, womit die Freiheit des Vernunftgebrauchs | ||||||
32 | bedroht werde; wenn diese gehoben wird, so glaube ich die | ||||||
33 | Hindernisse der Einhelligkeit leicht wegräumen zu können. | ||||||
34 | Wider eine in der Berl. M. S. November 1785 eingerückte Erläuterung | ||||||
35 | meiner vorlängst geäußerten Meinung über den Begriff und | ||||||
36 | den Ursprung der Menschenracen trägt der Herr Geheimerath Georg | ||||||
37 | Forster im Teutschen Merkur October und November 1786 Einwürfe vor, | ||||||
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