Kant: AA VIII, Einige Bemerkungen zu Ludwig ... , Seite 154 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | das Ding, das in allen diesen Verhältnissen das Subject ist, an sich | ||||||
02 | selbst sei. Eben dieses läßt sich auch gar wohl an dem Erfahrungsbegriff | ||||||
03 | unserer Seele darthun, daß er bloße Erscheinungen des inneren Sinnes | ||||||
04 | enthalte und noch nicht den bestimmten Begriff des Subjects selbst; allein | ||||||
05 | es würde mich hier in zu große Weitläuftigkeit führen. | ||||||
06 | Freilich, wenn wir Wirkungen eines Dinges kennten, die in der | ||||||
07 | That Eigenschaften eines Dinges an sich selbst sein können, so dürften wir | ||||||
08 | nicht ferner fragen, was das Ding noch außer diesen Eigenschaften an | ||||||
09 | sich sei; denn es ist alsdann gerade das, was durch jene Eigenschaften gegeben | ||||||
10 | ist. Nun wird man fordern, ich solle doch dergleichen Eigenschaften | ||||||
11 | und wirkende Kräfte angeben, damit man sie und durch sie Dinge an sich | ||||||
12 | von bloßen Erscheinungen unterscheiden könne. Ich antworte: dieses ist | ||||||
13 | schon längst und zwar von euch selbst geschehen. | ||||||
14 | Besinnet euch nur, wie ihr den Begriff von Gott, als höchster Intelligenz, | ||||||
15 | zu Stande bringt. Ihr denkt euch in ihm lauter wahre Realität, | ||||||
16 | d. i. etwas, das nicht bloß (wie man gemeiniglich dafür hält) den | ||||||
17 | Negationen entgegen gesetzt wird, sondern auch und vornehmlich den | ||||||
18 | Realitäten in der Erscheinung ( realitas Phaenomenon ), dergleichen alle | ||||||
19 | sind, die uns durch Sinne gegeben werden müssen und eben darum | ||||||
20 | realitas apparens (wiewohl nicht mit einem ganz schicklichen Ausdrucke) | ||||||
21 | genannt werden. Nun vermindert alle diese Realitäten (Verstand, Wille, | ||||||
22 | Seligkeit, macht etc.) dem Grade nach, so bleiben sie doch der Art | ||||||
23 | (Qualität) nach immer dieselben, so habt ihr Eigenschaften der Dinge an | ||||||
24 | sich selbst, die ihr auch auf andere Dinge außer Gott anwenden könnt. | ||||||
25 | Keine andere könnt ihr euch denken, und alles übrige ist nur Realität in | ||||||
26 | der Erscheinung (Eigenschaft eines Dinges als Gegenstandes der Sinne), | ||||||
27 | wodurch ihr niemals ein Ding denkt, wie es an sich selbst ist. Es scheint | ||||||
28 | zwar befremdlich, daß wir unsere Begriffe von Dingen an sich selbst nur | ||||||
29 | dadurch gehörig bestimmen können, daß wir alle Realität zuerst auf den | ||||||
30 | Begriff von Gott reduciren und so, wie er darin statt findet, allererst auch | ||||||
31 | auf andere Dinge als Dinge an sich anwenden sollen. Allein jenes ist lediglich | ||||||
32 | das Scheidungsmittel alles Sinnlichen und der Erscheinung von dem, | ||||||
33 | was durch den Verstand, als zu Sachen an sich selbst gehörig, betrachtet | ||||||
34 | werden kann. - Also kann nach allen Kenntnissen, die wir immer nur durch | ||||||
35 | Erfahrung von Sachen haben mögen, die Frage: was denn ihre Objecte | ||||||
36 | als Dinge an sich selbst sein mögen? Ganz und gar nicht für sinnleer gehalten | ||||||
37 | werden. | ||||||
[ Seite 153 ] [ Seite 155 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |