Kant: AA VIII, Bestimmung des Begriffs einer ... , Seite 092

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Hautfarbe so sehr unterscheidet, und der französische oder englische Kreole      
  02 in Westindien, welcher, wie von einer Krankheit kaum wieder genesen, bleich      
  03 und erschöpft aussieht, können um deswillen eben so wenig zu verschiedenen      
  04 Klassen der Menschengattung gezählt werden, als der spanische Bauer von      
  05 la Mancha, der schwarz wie ein Schulmeister gekleidet einher geht, weil      
  06 die Schafe seiner Provinz durchgehends schwarze Wolle haben. Denn      
  07 wenn der Mohr in Zimmern und der Kreole in Europa aufgewachsen      
  08 ist, so sind beide von den Bewohnern unsers Welttheils nicht zu unterscheiden.      
           
  10 Der Missionar Demanet giebt sich das Ansehen, als ob er, weil er      
  11 sich in Senegambia einige Zeit aufgehalten, von der Schwärze der      
  12 Neger allein Recht urtheilen könne, und spricht seinen Landsleuten, den      
  13 Franzosen, alles Urtheil hierüber ab. Ich hingegen behaupte, daß man      
  14 in Frankreich von der Farbe der Neger, die sich dort lange aufgehalten      
  15 haben, noch besser aber derer, die da geboren sind, in so fern man darnach      
  16 den Klassenunterschied derselben von andern Menschen bestimmen will,      
  17 weit richtiger urtheilen könne, als in dem Vaterlande der Schwarzen selbst.      
  18 denn das, was in Afrika der Haut des Negers die Sonne eindrückte und also      
  19 ihm nur zufällig ist, muß in Frankreich wegfallen und allein die Schwärze      
  20 übrig bleiben, die ihm durch seine Geburt zu Theil ward, die er weiter      
  21 fortpflanzt, und die daher allein zu einem Klassenunterschiede gebraucht      
  22 werden kann. Von der eigentlichen Farbe der Südseeinsulaner kann man      
  23 sich nach allen bisherigen Beschreibungen noch keinen sicheren Begriff      
  24 machen. Denn ob einigen von ihnen gleich die Mahagoniholz=Farbe zugeschrieben      
  25 wird, so weiß ich doch nicht, wie viel von diesem Braun einer      
  26 bloßen Färbung durch Sonne und Luft und wieviel davon der Geburt zuzuschreiben      
  27 sei. Ein Kind, von einem solchen Paare in Europa gezeugt,      
  28 würde allein die ihnen von Natur eigene Hautfarbe ohne Zweideutigkeit      
  29 entdecken. Aus einer Stelle in der Reise Carterets (der freilich auf      
  30 seinem Seezuge wenig Land betreten, dennoch aber verschiedene Insulaner      
  31 auf ihren Canots gesehen hatte) schließe ich: daß die Bewohner der      
  32 meisten Inseln Weiße sein müssen. Denn auf Frevill=Eiland (in der      
  33 Nähe der zu den indischen Gewässern gezählten Inseln) sah er, wie er sagt,      
  34 zuerst das wahre Gelb der indischen Hautfarbe. Ob die Bildung der      
  35 Köpfe auf Malikolo der Natur oder der Künstelei zuzuschreiben sei, oder      
  36 wie weit sich die natürliche Hautfarbe der Kaffern von der der Negern      
  37 unterscheide, und andere charakteristische Eigenschaften mehr, ob sie erblich      
           
     

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