Kant: AA VIII, Idee zu einer allgemeinen ... , Seite 025 |
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01 | Absicht der Natur), neue Verhältnisse der Staaten zu Stande zu bringen | ||||||
02 | und durch Zerstörung, wenigstens Zerstückelung alter neue Körper zu | ||||||
03 | bilden, die sich aber wieder entweder in sich selbst oder neben einander nicht | ||||||
04 | erhalten können und daher neue, ähnliche Revolutionen erleiden müssen; bis | ||||||
05 | endlich einmal theils durch die bestmögliche Anordnung der bürgerlichen | ||||||
06 | Verfassung innerlich, theils durch eine gemeinschaftliche Verabredung und | ||||||
07 | Gesetzgebung äußerlich ein Zustand errichtet wird, der, einem bürgerlichen | ||||||
08 | gemeinen Wesen ähnlich, so wie ein Automat sich selbst erhalten kann. | ||||||
09 | Ob man es nun von einem epikurischen Zusammenlauf wirkender | ||||||
10 | Ursachen erwarten solle, daß die Staaten, so wie die kleinen Stäubchen | ||||||
11 | der Materie durch ihren ungefähren Zusammenstoß allerlei Bildungen | ||||||
12 | versuchen, die durch neuen Anstoß wieder zerstört werden, bis endlich einmal | ||||||
13 | von ungefähr eine solche Bildung gelingt, die sich in ihrer Form | ||||||
14 | erhalten kann (ein Glückszufall, der sich wohl schwerlich jemals zutragen | ||||||
15 | wird!); oder ob man vielmehr annehmen solle, die Natur verfolge hier | ||||||
16 | einen regelmäßigen Gang, unsere Gattung von der unteren Stufe der | ||||||
17 | Thierheit an allmählig bis zur höchsten Stufe der Menschheit und zwar | ||||||
18 | durch eigene, obzwar dem Menschen abgedrungene Kunst zu führen, und | ||||||
19 | entwickele in dieser scheinbarlich wilden Anordnung ganz regelmäßig | ||||||
20 | jene ursprüngliche Anlagen; oder ob man lieber will, daß aus allen | ||||||
21 | diesen Wirkungen und Gegenwirkungen der Menschen im Großen überall | ||||||
22 | nichts, wenigstens nichts Kluges herauskomme, daß es bleiben werde, wie | ||||||
23 | es von jeher gewesen ist, und man daher nicht voraus sagen könne, ob | ||||||
24 | nicht die Zwietracht, die unserer Gattung so natürlich ist, am Ende für | ||||||
25 | uns eine Hölle von Übeln in einem noch so gesitteten Zustande vorbereite, | ||||||
26 | indem sie vielleicht diesen Zustand selbst und alle bisherigen Fortschritte | ||||||
27 | in der Cultur durch barbarische Verwüstung wieder vernichten werde (ein | ||||||
28 | Schicksal, wofür man unter der Regierung des blinden Ungefährs nicht | ||||||
29 | stehen kann, mit welcher gesetzlose Freiheit in der That einerlei ist, wenn | ||||||
30 | man ihr nicht einen ingeheim an Weisheit geknüpften Leitfaden der Natur | ||||||
31 | unterlegt!), das läuft ungefähr auf die Frage hinaus: ob es wohl vernünftig | ||||||
32 | sei, Zweckmäßigkeit der Naturanstalt in Theilen und doch | ||||||
33 | Zwecklosigkeit im Ganzen anzunehmen. Was also der zwecklose Zustand | ||||||
34 | der wilden That, daß er nämlich alle Naturanlagen in unserer | ||||||
35 | Gattung zurück hielt, aber endlich durch die Übel, worin er diese versetzte, | ||||||
36 | sie nöthigte, aus diesem Zustande hinaus und in eine bürgerliche Verfassung | ||||||
37 | zu treten, in welcher alle jene Keime entwickelt werden können, | ||||||
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