Kant: AA VIII, Idee zu einer allgemeinen ... , Seite 021 |
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01 | die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen | ||||||
02 | Hang sich zu vereinzelnen (isoliren): weil er in sich zugleich die | ||||||
03 | ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu | ||||||
04 | wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich | ||||||
05 | selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist. | ||||||
06 | Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn | ||||||
07 | dahin bringt seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch | ||||||
08 | Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen | ||||||
09 | zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch | ||||||
10 | nicht lassen kann. Da geschehen nun die ersten wahren Schritte aus der | ||||||
11 | Rohigkeit zur Cultur, die eigentlich in dem gesellschaftlichen Werth des | ||||||
12 | Menschen besteht; da werden alle Talente nach und nach entwickelt, der | ||||||
13 | Geschmack gebildet und selbst durch fortgesetzte Aufklärung der Anfang | ||||||
14 | zur Gründung einer Denkungsart gemacht, welche die grobe Naturanlage | ||||||
15 | zur sittlichen Unterscheidung mit der Zeit in bestimmte praktische Principien | ||||||
16 | und so eine pathologisch=abgedrungene Zusammenstimmung zu | ||||||
17 | einer Gesellschaft endlich in ein moralisches Ganze verwandeln kann. | ||||||
18 | Ohne jene an sich zwar eben nicht liebenswürdige Eigenschaften der Ungeselligkeit, | ||||||
19 | woraus der Widerstand entspringt, den jeder bei seinen selbstsüchtigen | ||||||
20 | Anmaßungen nothwendig antreffen muß, würden in einem arkadischen | ||||||
21 | Schäferleben bei vollkommener Eintracht, Genügsamkeit und | ||||||
22 | Wechselliebe alle Talente auf ewig in ihren Keimen verborgen bleiben: | ||||||
23 | die Menschen, gutartig wie die Schafe, die sie weiden, würden ihrem Dasein | ||||||
24 | kaum einen größeren Werth verschaffen, als dieses ihr Hausvieh hat; sie | ||||||
25 | würden das Leere der Schöpfung in Ansehung ihres Zwecks, als vernünftige | ||||||
26 | Natur, nicht ausfüllen. Dank sei also der Natur für die Unvertragsamkeit, | ||||||
27 | für die mißgünstig wetteifernde Eitelkeit, für die nicht zu befriedigende Begierde | ||||||
28 | zum Haben oder auch zum Herrschen! Ohne sie würden alle vortreffliche | ||||||
29 | Naturanlagen in der Menschheit ewig unentwickelt schlummern. Der | ||||||
30 | Mensch will Eintracht; aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung | ||||||
31 | gut ist: sie will Zwietracht. Er will gemächlich und vergnügt leben; die | ||||||
32 | Natur will aber, er soll aus der Lässigkeit und unthätigen Genügsamkeit | ||||||
33 | hinaus sich in Arbeit und Mühseligkeiten stürzen, um dagegen auch Mittel | ||||||
34 | auszufinden, sich klüglich wiederum aus den letztern heraus zu ziehen. | ||||||
35 | Die natürlichen Triebfedern dazu, die Quellen der Ungeselligkeit und des | ||||||
36 | durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber | ||||||
37 | doch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer | ||||||
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