Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 317 |
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01 | der andere öffentliche: pompöse Aufzüge, Prozessionen, | ||||||
02 | große Schauspiele, Carnevals, Maskeraden, Pracht Öffentlicher Gebäude, | ||||||
03 | Gemälde, mit dem Pinsel oder in musivischer Arbeit gezeichnet, | ||||||
04 | römische Alterthümer im großen Stil, um zu sehen und in großer Gesellschaft | ||||||
05 | gesehen zu werden. Dabei aber (um doch den Eigennutz nicht zu | ||||||
06 | vergessen): Erfindung der Wechsel, der Banken und der Lotterie. | ||||||
07 | - - Das ist seine gute Seite: so wie die Freiheit, welche die Gondolieri | ||||||
08 | und Lazzaroni sich gegen vornehme nehmen dürfen. | ||||||
09 | Die schlechtere ist: sie conversiren, wie Rousseau sagt, in Prachtsälen | ||||||
10 | und schlafen in Ratzennestern. Ihre Conversazioni sind einer Börse ähnlich, | ||||||
11 | wo die Dame des Hauses einer großen Gesellschaft etwas zu kosten | ||||||
12 | reichen läßt, um im Herumwandeln sich einander die Neuigkeiten des | ||||||
13 | Tages mitzutheilen, ohne daß dazu eben Freundschaft nöthig wäre, und | ||||||
14 | mit einem kleinen daraus gewählten Theil zur Nacht ißt. - Die schlimme | ||||||
15 | aber: das Messerziehen, die Banditen, die Zuflucht der Meuchelmörder in | ||||||
16 | geheiligten Freistätten, das vernachlässigte Amt der Sbirren u.d.g.: | ||||||
17 | welche doch nicht sowohl dem Römer, als vielmehr seiner zweiköpfichten | ||||||
18 | Regierungsart zugeschrieben wird. - Dieses sind aber Beschuldigungen, | ||||||
19 | die ich keineswegs verantworten mag und mit denen sich gewöhnlich Engländer | ||||||
20 | herumtragen, denen keine andere Verfassung gefallen will als die | ||||||
21 | ihrige. | ||||||
22 | 5. Die Deutschen stehen im Ruf eines guten Charakters, nämlich | ||||||
23 | dem der Ehrlichkeit und Häuslichkeit; Eigenschaften, die eben nicht zum | ||||||
24 | Glänzen geeignet sind. - Der Deutsche fügt sich unter allen civilisirten | ||||||
25 | Völkern am leichtesten und dauerhaftesten der Regierung, unter der er ist, | ||||||
26 | und ist am meisten von Neuerungssucht und Widersetzlichkeit gegen die | ||||||
27 | eingeführte Ordnung entfernt. Sein Charakter ist mit Verstand verbundenes | ||||||
28 | Phlegma, ohne weder über die schon eingeführte zu vernünfteln, | ||||||
29 | noch sich selbst eine auszudenken. Er ist dabei doch der Mann von allen | ||||||
30 | Ländern und Klimaten, wandert leicht aus und ist an sein Vaterland nicht | ||||||
31 | leidenschaftlich gefesselt; wo er aber in fremde Länder als Colonist hinkommt, | ||||||
32 | da schließt er bald mit seinen Landesgenossen eine Art von bürgerlichem | ||||||
33 | Verein, der durch Einheit der Sprache, zum Theil auch der Religion | ||||||
34 | ihn zu einem Völkchen ansiedelt, was unter der höheren Obrigkeit | ||||||
35 | in einer ruhigen, sittlichen Verfassung durch Fleiß, Reinlichkeit und Sparsamkeit | ||||||
36 | vor den Ansitzungen anderer Völker sich vorzüglich auszeichnet. | ||||||
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