Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 290 |
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01 | dafür ist willkürliche Unnützlichkeit, und die Neigungen gehen nur | ||||||
02 | auf Sättigung und Schlaf. | ||||||
03 | Phlegma, als Stärke, ist dagegen die Eigenschaft: nicht leicht oder | ||||||
04 | rasch, aber, wenn gleich langsam, doch anhaltend bewegt zu werden. | ||||||
05 | Der, welcher eine gute Dosis von Phlegma in seiner Mischung hat, wird | ||||||
06 | langsam warm, aber er behält die Wärme länger. Er geräth nicht leicht | ||||||
07 | in Zorn, sondern bedenkt sich erst, ob er nicht zürnen solle; wenn andrerseits | ||||||
08 | der Cholerische rasend werden möchte, daß er den festen Mann nicht | ||||||
09 | aus seiner Kaltblütigkeit bringen kann. | ||||||
10 | Mit einer ganz gewöhnlichen Dosis der Vernunft, aber zugleich diesem | ||||||
11 | Phlegma von der Natur ausgestattet, ohne zu glänzen, und doch von | ||||||
12 | Grundsätzen, nicht vom Instinct ausgehend, hat der Kaltblütige nichts zu | ||||||
13 | bereuen. Sein glückliches Temperament vertritt bei ihm die Stelle der | ||||||
14 | Weisheit, und man nennt ihn selbst im gemeinen Leben oft den Philosophen. | ||||||
15 | Durch dieses ist er Anderen überlegen, ohne ihre Eitelkeit zu | ||||||
16 | kränken. Man nennt ihn auch oft durchtrieben; denn alle auf ihn losgeschnellte | ||||||
17 | Ballisten und Katapulten prallen von ihm als einem Wollsack | ||||||
18 | ab. Er ist ein verträglicher Ehemann und weiß sich die Herrschaft über | ||||||
19 | Frau und Verwandte zu verschaffen, indessen daß er scheint allen zu Willen | ||||||
20 | zu sein, weil er durch seinen unbiegsamen, aber überlegten Willen den | ||||||
21 | ihrigen zu dem seinen umzustimmen versteht: wie Körper, welche mit kleiner | ||||||
22 | Masse und großer Geschwindigkeit den Stoß ausüben, durchbohren, | ||||||
23 | mit weniger Geschwindigkeit aber und größerer Masse das ihnen entgegenstehende | ||||||
24 | Hinderniß mit sich fortführen, ohne es zu zertrümmern. | ||||||
25 | Wenn ein Temperament die Beigesellung eines andern sein soll | ||||||
26 | wie das gemeiniglich geglaubt wird -, z. B. | ||||||
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31 | so widerstehen sie entweder einander, oder sie neutralisiren sich. Das | ||||||
32 | erstere geschieht, wenn das sanguinische mit dem melancholischen, imgleichen | ||||||
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