Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 262

   
         
 

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  01 "welcher ein neues Vergnügen erfinden würde". - Die dabei stoßweise    
  02 (gleichsam convulsivisch) geschehende Ausathmung der Luft (von welcher    
  03 das Niesen nur ein kleiner, doch auch belebender Effect ist, wenn ihr Schall    
  04 unverhalten ertönen darf) stärkt durch die heilsame Bewegung des Zwergfells    
  05 das Gefühl der Lebenskraft. Es mag nun ein gedungener Possenreißer    
  06 (Harlekin) sein, der uns zu lachen macht, oder ein zur Gesellschaft    
  07 der Freunde gehörender durchtriebener Schalk, der nichts Arges im Sinn    
  08 zu haben scheint, "der es hinter den Ohren hat" und nicht mitlacht, sondern    
  09 mit scheinbarer Einfalt eine gespannte Erwartung (wie eine gespannte    
  10 Saite) plötzlich losläßt: so ist das Lachen immer Schwingung der    
  11 Muskeln, die zur Verdauung gehören, welche dieses weit besser befördert,    
  12 als es die Weisheit des Arztes thun würde. Auch eine große Albernheit    
  13 einer fehlgreifenden Urtheilskraft kann - freilich aber auf Kosten des vermeintlich    
  14 Klügern - eben dieselbe Wirkung thun.*)    
         
  15 Das Weinen, ein mit Schluchzen geschehenes (convulsivisches) Einathmen,    
  16 wenn es mit Thränenguß verbunden ist, ist als ein schmerzlinderndes    
  17 Mittel gleichfalls eine Vorsorge der Natur für die Gesundheit,    
  18 und eine Wittwe, die, wie man sagt, sich nicht will trösten lassen, d. i. die    
  19 Ergießung der Thränen nicht gehindert wissen will, sorgt, ohne es zu    
  20 wissen oder eigentlich zu wollen, für ihre Gesundheit. Ein Zorn, der in    
  21 diesem Zustande einträte, würde diesen Erguß, aber zu ihrem Schaden,    
  22 bald hemmen; obzwar nicht immer Wehmuth, sondern auch Zorn Weiber    
  23 und Kinder in Thränen versetzen kann. - Denn das Gefühl seiner    
         
    *) Beispiele vom Letzteren kann man in Menge geben. Ich will aber nur eines anführen, was ich aus dem Munde der verstorbenen Frau Gräfin von K - g habe, einer Dame, die die Zierde ihres Geschlechts war. Bei ihr hatte der Graf Sagramoso, der damals die Einrichtung des Malteserritterordens in Polen (aus der Ordination Ostrog) zu besorgen den Auftrag hatte, den Besuch gemacht, und zufälligerweise war ein aus Königsberg gebürtiger, aber in Hamburg für die Liebhaberei einiger reichen Kaufleute zum Naturaliensammler und Aufseher dieser ihrer Cabinetter angenommener Magister, der seine Verwandten in Preußen besuchte, hinzugekommen, zu welchem der Graf, um doch etwas mit ihm zu reden, im gebrochenen Deutsch sprach: "Ick abe in Amburg eine Ant geabt (ich habe in Hamburg eine Tante gehabt); aber die ist mir gestorben." Flugs ergriff der Magister das Wort und fragte: "Warum ließen sie sie nicht abziehen und ausstopfen?" er nahm das englische Wort Ant, welches Tante bedeutet, für Ente, und weil er gleich darauf fiel, sie müsse sehr rar gewesen sein, bedauerte er den großen Schaden. Man kann sich vorstellen, welches Lachen dieses Mißverstehen erregen mußte.    
         
     

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