Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 260 |
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01 | Von Affecten, die sich selbst in Ansehung ihres Zwecks |
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02 | schwächen. |
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03 | ( Impotentes animi motus .) |
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04 | § 78. Die Affecten des Zorns und der Scham haben das Eigne, | ||||||
05 | daß sie sich selbst in Ansehung ihres Zweckes schwächen. Es sind plötzlich | ||||||
06 | erregte Gefühle eines Übels als Beleidigung, die aber durch ihre Heftigkeit | ||||||
07 | zugleich unvermögend machen, es abzuwehren. | ||||||
08 | Wer ist mehr zu fürchten: der, welcher im heftigen Zorn erblaßt, | ||||||
09 | oder der hiebei erröthet? Der erstere ist auf der Stelle zu fürchten; der | ||||||
10 | zweite desto mehr hinterher (der Rachgier halber). Im ersteren Zustande | ||||||
11 | erschrickt der aus der Fassung gebrachte Mensch vor sich selbst, zu einer | ||||||
12 | Heftigkeit im Gebrauche seiner Gewalt hingerissen zu werden, die ihn nachher | ||||||
13 | reuen möchte. Im zweiten geht der Schreck plötzlich in die Furcht über, | ||||||
14 | daß das Bewußtsein seines Unvermögens der Selbstvertheidigung sichtbar | ||||||
15 | werden möchte. - Beide, wenn sie sich durch die behende Fassung | ||||||
16 | des Gemüths Luft machen können, sind der Gesundheit nicht nachtheilig; | ||||||
17 | wo aber nicht, so sind sie theils dem Leben selbst gefährlich, theils, wenn | ||||||
18 | ihr Ausbruch zurückgehalten wird, hinterlassen sie einen Groll, d. i. eine | ||||||
19 | Kränkung darüber, sich gegen Beleidigung nicht mit Anstand genommen | ||||||
20 | zu haben; welche aber vermieden wird, wenn sie nur zu Worten kommen | ||||||
21 | können. So aber sind beide Affecten von der Art, daß sie stumm machen | ||||||
22 | und sich dadurch in einem unvortheilhaften Lichte darstellen. | ||||||
23 | Der Jachzorn kann durch innere Disciplin des Gemüths noch wohl | ||||||
24 | abgewöhnt werden; aber die Schwäche eines überzarten Ehrgefühls in der | ||||||
25 | Scham läßt sich nicht so leicht wegkünsteln. Denn wie Hume sagt (der | ||||||
26 | selbst mit dieser Schwäche - der Blödigkeit öffentlich zu reden - behaftet | ||||||
27 | war), macht der erste Versuch zur Dreistigkeit, wenn er fehlschlägt, nur | ||||||
28 | noch schüchterner, und es ist kein anderes Mittel, als von seinem Umgange | ||||||
29 | mit Personen, aus deren Urtheil über den Anstand man sich wenig macht, | ||||||
30 | anhebend, allmählig von der vermeinten Wichtigkeit des Urtheils Anderer | ||||||
31 | über uns abzukommen und sich hierin innerlich auf den Fuß der Gleichheit | ||||||
32 | mit ihnen zu schätzen. Die Gewohnheit hierin bewirkt die Freimüthigkeit, | ||||||
33 | welche von der Blödigkeit und beleidigenden Dreistigkeit | ||||||
34 | gleichweit entfernt ist. | ||||||
35 | Wir sympathisiren zwar mit der Scham des Anderen als einem | ||||||
36 | Schmerz, aber nicht mit dem Zorn desselben, wenn er uns die Anreizung | ||||||
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