Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 251 |
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01 | Drittes Buch. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 445) ] | |||||
02 | Vom Begehrungsvermögen. |
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03 | § 73. Begierde ( appetitio ) ist die Selbstbestimmung der Kraft | ||||||
04 | eines Subjects durch die Vorstellung von etwas Künftigem als einer | ||||||
05 | Wirkung derselben. Die habituelle sinnliche Begierde heißt Neigung. | ||||||
06 | Das Begehren ohne Kraftanwendung zu Hervorbringung des Objects | ||||||
07 | ist der Wunsch. Dieser kann auf Gegenstände gerichtet sein, zu deren | ||||||
08 | Herbeischaffung das Subject sich selbst unvermögend fühlt, und ist dann | ||||||
09 | ein leerer (müßiger) Wunsch. Der leere Wunsch, die Zeit zwischen dem | ||||||
10 | Begehren und Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist Sehnsucht. | ||||||
11 | Die in Ansehung des Objects unbestimmte Begierde ( appetitio | ||||||
12 | vaga ), welche das Subject nur antreibt, aus seinem gegenwärtigen Zustande | ||||||
13 | herauszugehen, ohne zu wissen, in welchen es denn eintreten will, | ||||||
14 | kann der launische Wunsch genannt werden (den nichts befriedigt). | ||||||
15 | Die durch die Vernunft des Subjects schwer oder gar nicht bezwingliche | ||||||
16 | Neigung ist Leidenschaft. Dagegen ist das Gefühl einer Lust oder | ||||||
17 | Unlust im gegenwärtigen Zustande, welches im Subject die Überlegung | ||||||
18 | (die Vernunftvorstellung, ob man sich ihm überlassen oder weigern solle) | ||||||
19 | nicht aufkommen läßt, der Affect. | ||||||
20 | Affecten und Leidenschaften unterworfen zu sein, ist wohl immer | ||||||
21 | Krankheit des Gemüths, weil beides die Herrschaft der Vernunft | ||||||
22 | ausschließt. Beide sind auch gleich heftig dem Grade nach; was aber ihre | ||||||
23 | Qualität betrifft, so sind sie wesentlich von einander unterschieden, sowohl | ||||||
24 | in der Vorbeugungs= als in der Heilmethode, die der Seelenarzt dabei | ||||||
25 | anzuwenden hätte. | ||||||
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